„Akzeptanz ist fundamental“

Das Klimaschutzkonzept der Stadt Obertshausen wurde in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung beschlossen.
Obertshausen – Im Interview spricht der Klimaschutzmanager der Stadt, Merten Kuhl, über die Ergebnisse des Berichts und Aufgaben für die Zukunft – und ob umfassender Klimaschutz für den klammen Stadtsäckel überhaupt drin ist.
Herr Kuhl, das Klimaschutzkonzept wurde von den Stadtverordneten beschlossen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse des Prozesses?
Es freut mich sehr, dass das Konzept einstimmig beschlossen wurde. Es ist ein gutes Signal, dass sich die Politik den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat. Das kann man auch an der Zusammenarbeit im eingerichteten Klimabeirat erkennen. Ich freue mich, dass das Angebot für einen Austausch zwischen Verwaltung und Politik angenommen wurde, und die Mitglieder sich aktiv eingebracht haben. An der ein oder anderen Stelle mussten auch Kompromisse geschlossen werden, aber die Zusammenarbeit war dennoch konstruktiv. Man hat gemerkt, dass man zu einem guten Ergebnis kommen wollte.
Wir stehen noch ganz am Anfang mit unseren Bemühungen. Es wird noch ein langer und steiniger Weg, der uns bevorsteht. Aber mit der richtigen Einstellung können wir es schaffen. Dazu gehört auch der Mut von allen Beteiligten, etwas verändern zu wollen.
Gab es für Sie positive oder negative Überraschungen im Blick auf den Ist-Zustand? Wenn ja, welche?
Wenn man sich das Stadtgebiet anguckt, dann wird schnell ersichtlich, dass es ein kompaktes Stadtgebiet ist, und das Stadtbild von viel Verkehr geprägt wird. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgas-Emissionen relativ hoch ist. Ich finde aber, dass wir hier in Obertshausen grundsätzliche eine gute Verkehrsinfrastruktur haben, um die Fahrten mit dem Auto zu reduzieren. Dadurch lässt sich natürlich auch der Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Allerdings muss die Fahrradinfrastruktur noch deutlich attraktiver werden, damit viel mehr Leute umsteigen.
...und wie sieht es aktuell bei den Erneuerbaren Energien aus?
Es gibt in Obertshausen keine großen Freiflächen, was uns bei der Erzeugung erneuerbarer Energien ziemlich einschränkt. Ich hatte mir erhofft, dass es auf diesem Gebiet deutlich mehr Möglichkeiten gibt. Eigentlich können wir fast nur auf Photovoltaik setzen, um unseren Energiebedarf zu decken. Aber wir befinden uns in einer Phase, in der technisch viel in der Entwicklung steckt. Es ist gut möglich, dass sich hier noch Potenziale auftun, die man jetzt noch gar nicht richtig erahnen kann.
Wir haben in Obertshausen die Situation, dass keine Neubaugebiete ausgewiesen werden. Das ist im Hinblick auf den Versiegelungsgrad erfreulich. Auf der anderen Seite haben wir derzeit wenig Möglichkeiten, auf die Nachverdichtung einzuwirken und dort Klimaschutzkriterien festzulegen.
Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit das Klimaschutzkonzept nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch realen Nutzen bringt?
Als Erstes bedarf es der Unterstützung der Entscheidungsträger. Verwaltungsintern spüre ich diese Unterstützung. Mit dem Beschluss zum Klimaschutzkonzept wurde jetzt auch der politische Wille ausgedrückt, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Zudem habe ich positive Erfahrungen im Austausch mit dem Klimabeirat gemacht. Das sind gute Voraussetzungen. Klimaschutz muss allerdings auch aktiv gestaltet werden.
Idealerweise ist Klimaschutz ein Zusammenspiel vieler Beteiligter und wird auf allen Ebenen vorgelebt. In der Politik müssen die Weichen gestellt werden, auf Verwaltungsebene Projekte umgesetzt werden und gleichzeitig müssen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger zu klimafreundlichem Verhalten motiviert werden. Meine Aufgabe ist es, mich der Sache anzunehmen und alle Gruppen einzubeziehen sowie in den Austausch zu kommen, Wege aufzuzeigen und Mitstreiter zu finden. Ich bin mir sicher, dass es Schritt für Schritt gelingt, so für mehr Akzeptanz und Beteiligung zu sorgen. Denn diese Akzeptanz in der Gesellschaft ist fundamental für den Erfolg der Klimaschutzmaßnahmen.
Wie hinderlich sind die Kosten - bei der angespannten Finanzlage der Stadt - bei der Umsetzung? Ist Klimaschutz, wie so oft behauptet, immer teuer?
Ich würde lügen, wenn die finanzielle Situation keine Rolle spielen würde. Natürlich wünscht man sich Verhältnisse wie in reichen Kommunen, wo man einen ganz anderen Gestaltungsraum hat und beispielsweise ein eigenes städtisches Förderprogramm für die Bürgerinnen und Bürger aufsetzen kann. Erfahrungsgemäß werden diese gut angenommen und beflügeln die notwendigen Transformationsprozesse. Dennoch existieren bereits auf Landes- und Bundesebene Förderprogramme sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Kommunen. Sie sind ein geeignetes Mittel, um die trotz finanzieller Einschränkungen Investitionen zu ermöglichen.
Bei einer angespannten finanziellen Situation ist es jedoch klar, dass Ausgaben immer eine Abwägungssache sind. Man überlegt sich genau, was man stemmen kann. In so einem Fall ist es entscheidend, dass Klimaschutz von Anfang an bei allen Prozessen mitgedacht wird. Wenn notwendige Investitionen anstehen und sowieso getätigt werden müssen, ist es unerlässlich, dass Klimaschutzkriterien einen hohen Stellenwert haben.
...können Sie konkrete Beispiele nennen?
Beispielsweise werden Neubauten noch in 50 bis 60 Jahren stehen, wenn wir unsere Klimaziele längst erreicht haben wollen. Deshalb müssen diese auch die entsprechenden Kriterien erfüllen. Wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz bedeuten oft höhere Anfangsinvestitionen, die sich aber über die Jahre amortisieren. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, dass man eine Gesamtkostenanalyse durchführt, anstatt rein auf die Investitionskosten zu achten.
Das Gespräch führte Lukas Reus