Niederschwelliges Angebot in Obertshausen erfreut sich großer Beliebtheit

„Hier kann man hinfallen, ohne sich die Knie aufzuschlagen.“ Für den 14-jährigen Hassan ist das Angebot der städtischen Kinder- und Jugendförderung (KiJu) einfach eine gute Alternative zu Bolzplätzen mit einem harten und unebenen Grund. Etwa die Hälfte der jugendlichen Kicker in der Sporthalle der Hermann-Hesse-Schule sind Stammgäste, überschlägt Carsten Liebe. Und der muss es wissen, zählt er doch seit dem ersten Tag zum Betreuer-Team.
Obertshausen – Das war vor 23 Jahren, erinnert sich der studierte Chemie-Ingenieur. Für den Job am Freitagabend qualifiziert ihn aber weniger sein naturwissenschaftliches Studium als viel mehr sein Engagement in der Turngesellschaft (TGS) Hausen. Dort trainiert der 49-Jährige seit seiner Kindheit Leichtathletik. Im Fünfkampf hat er mehr als 150 Meistertitel errungen, einmal sogar einen Deutschen.
Aufsicht in den zwei Stunden führen auch der 44-jährige Einzelhandelskaufmann Mustafa Alkan und dessen Zwillingsbruder Murat, der seine Brötchen als LKW-Fahrer verdient. Beide sind seit vielen Jahren dabei und spielten selbst bei Teutonia Hausen Basketball. Das Quartett vervollständigt der 38-jährige Vitali Eisner, der den heimischen Teenagern von zahlreichen Aktionen im Jugendzentrum bekannt ist und aktuell als Lehrer an einer Förderschule arbeitet.
Liebe hat noch die Anfänge der Initiative vor Augen. Die Anregung kam vom damaligen Schulleiter Wolf Lange und von Michael Jentzsch, der schon seinerzeit in Diensten der KiJu stand. Die Grünen-Fraktion machte sich in der Stadtverordneten- versammlung für die Idee stark, schließlich stimmte die Kommunalpolitik für das Projekt. Manche glaubten noch 2015 an ein Strohfeuer, – das ist längst überholt.
Der Übungsleiter von der TGS hat genau mitgezählt – es ist die 726. Ausgabe des Mitternachtssports. Zu Beginn waren auch Mädchen dabei, spielten Basketball. Später kamen sie im Gefolge von Breakdancern. Inzwischen wird nur noch gekickt . Für Kai Hennig von der KiJu-Leitung ist das völlig okay: „Es ist ein niederschwelliges Sportangebot, die jungen Leute entscheiden selbst, was sie machen wollen.“ Für einige Kicker war der Mitternachtssport der Einstieg in eine Mannschaft. „Aber ein Verein hat eigene Regeln, fordert Verlässlichkeit“, verdeutlicht Hennig. Das sei freitagabends anders, offener.
Gerade hat Vitali die gut 20 Jungs um sich versammelt. Unter Leitung von Eisner bilden sie jetzt drei Mannschaften und vereinbaren: Gewonnen hat die Gruppe, die zuerst drei Tore schießt. Mit hohem Tempo, technischem Geschick und viel Ballgefühl jagen die Spieler übers Linoleum. Bis zu 30 sind sie sonst, „aber es dauert, bis sich der Neustart herumgesprochen hat“, wissen die Begleiter. Die Corona-Verordnungen zwangen immer wieder zu Schließungen und Einschränkungen, sagt Hennig und gibt zu bedenken: „Die Registrierung der Teilnehmer widerspricht eigentlich unserem Konzept.“ Regelmäßig sind auch Sportskanonen aus den Nachbarstädten dabei. „Der typische Mitternachtssportler ist Migrant, zwischen 16 und 18 Jahre alt und Fußballfreund.“
Die Liebe zum runden Leder eint auch den 16-jährigen Guul und den 17-jährigen Rafi. Badminton, Tennis und Kampfsport betreiben sie im Verein, Fußball lieber unverbindlich in der Halle. „Es macht richtig Spaß. Hier stehen gute Tore, im Winter ist’s warm und jetzt ist die Luft besser, weil die Türen geöffnet werden können“, zählen sie auf. „Und es gibt Steckdosen, um die Handys aufzuladen.“ Die Gründe für den Mitternachtssport sind offenbar vielfältig... (m)
Infos: 06104 703 5603, kiju@obertshausen.de