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„Der Himmel war glutrot“

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Von: Lukas Reus

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Ein 81-jähriger Obertshausener hat die Bombardements der Amerikaner und Engländer in Darmstadt als Kind erlebt und erzählt seine Geschichte.  (Symbolbild)
Ein 81-jähriger Obertshausener hat die Bombardements der Amerikaner und Engländer in Darmstadt als Kind erlebt und erzählt seine Geschichte.  (Symbolbild) © Boris Roessler/dpa

Ukrainische Städte wie Mariupol werden durch den Krieg dem Erdboden gleich gemacht. Bombenhagel und Raketenbeschuss traumatisieren nicht nur die Bevölkerung vor Ort – bei Menschen, die Ähnliches beispielsweise während des Zweiten Weltkrieges durchmachen mussten, wecken die Bilder schlimme Erinnerungen. Einer von ihnen ist Gerhard Müller.

Obertshausen – Der 81-jährige Obertshausener hat die Bombardements der Amerikaner und Engländer in Darmstadt als Kind erlebt. Uns erzählt er seine Geschichte.

Gerhard Müller ist selbst ein Kind des Krieges. Geboren 1940 kannte er in seinen ersten Lebensjahren nichts anderes. Als sich das Kriegsgeschick der Deutschen zu wenden begann, wurden zunehmend deutsche Städte bombardiert – so auch Darmstadt in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944. Gerhard Müller war damals zwar erst vier Jahre alt, aber diese Nacht habe sich auf ewig tief in seine Erinnerung eingebrannt, erzählt Müller. Er könne sich sehr gut in die Lage der Ukrainer versetzen, die nun das gleiche Schicksal erdulden müssen.

Müller lebte selbst mit seiner Familie im Darmstädter Stadtteil Bessungen. Nur wenige Minuten seien vergangen vom Luftalarm bis zum Beginn der Bombardements. Die Familie sei in den Keller des Hauses geflüchtet. „Wobei das eher ein Loch war“, berichtet der 81-Jährige. „Das wurde so eng, dass selbst nicht mal ich als Kind genügend Platz fand.“ Aus der ganzen Nachbarschaft seien die Menschen in diesen Keller geflüchtet, auch wenn dieser in kurzer Zeit bereits über seine Kapazitäten gefüllt war.

Der eigentliche Angriff dauerte nur eine gute Stunde. Müller, der mit seiner Mutter und Geschwistern ausharrte, hörte dabei die Einschläge in den benachbarten Stadtteilen. „Wir hörten auch eine Flak, die versuchte die Bomber abzuschießen, wie uns die Erwachsenen erzählten“, so Müller, „für mich hat sich die Zeit in dem Keller wie eine Ewigkeit angefühlt.“

Doch während viele Darmstädter diesen Angriff nicht überlebten, blieben Müller und seine Familie verschont, keine Bombe traf das Haus. Als es Entwarnung gab und der Angriff zu Ende war, sah Müller allerdings auf der Straße die unendliche Verwüstung. „Der ganze Himmel war glutrot“, beschreibt er seine Erinnerung an die durch Brandbomben zerstörte Stadt, „In der Straße lag eine Gruppe Menschen auf dem Boden, ob die gestorben waren oder nur verletzt, konnte ich nicht feststellen.“

Doch nicht nur Menschen wurden Opfer: „Für mich war es als Kind besonders schlimm, eine Katze aus der Nachbarschaft zu sehen, die sehr schlimm verletzt war – ein Metzger aus der Straße hat sie anschließend getötet.“ In dieser Nacht verlor Gerhard Müller fünf Verwandte aus seiner Familie.

Müllers Vater, der eingezogen worden war, geriet damals in französische Kriegsgefangenschaft und kam erst 1948 zu seiner Familie zurück. Eine weitere Parallele zu der Lage in der Ukraine. Seit 1980 lebt Müller nun in Obertshausen – ihn zog die Liebe in den Kreis Offenbach. „Ich hatte jahrelang Albträume von diesen Erlebnissen.“ Er habe später noch einmal den Luftschutzkeller besucht. „Der war nur mit Holzbalken abgestützt, wahrscheinlich hätte der einem Einschlag nicht standgehalten“, sagt der 81-Jährige. (Lukas Reus)

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