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Erfolgreiche Integration

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Bühne frei: Schauspieler des Theaters Ulüm parodieren die deutsch-türkische Beziehung.
Bühne frei: Schauspieler des Theaters Ulüm parodieren die deutsch-türkische Beziehung. © Prochnow

„Das ist ihre Einbürgerung, Gratulation!“ - „Nein, Integration!“, verbessert Memet Das die Beamtin. Der Familienvater lebt seit 42 Jahren in „Ulüm“, ist stolzer Besitzer eines „Palasma-Fernsehers“ und somit Teil der deutschen Gesellschaft. Mit viel Wortwitz und dem typischen Akzent stellt das Theater Ulüm aus Ulm im Bürgerhaus Hausen fest, „Oh Gott, die Türken integrieren sich!“

Obertshausen – Das Ensemble spielt auf der einzigen professionellen türkischen Bühne mit eigener Spielstätte in Süddeutschland, werben die Schwaben. In Obertshausen gastierten sie nicht zum ersten Mal, der Deutsch-Türkische Kulturverein lädt die Gruppe regelmäßig ein. Diesmal beackerten sie das Lieblingsthema vieler Einheimischer, wenn es um Migranten geht, die Eingliederung in hiesige Gepflogenheiten, möglichst auf allen Ebenen.

Die Ulüm-Truppe wehrt sich nicht gegen solche Forderungen, im Gegenteil. Gerade in der Erziehung der Kinder erweisen sich die Eltern vom Bosporus oft als deutscher als die Deutschen: Auch für die längst erwachsenen Sprösslinge gelten strenge Regeln. So stellte der Bräutigam seine Eltern denen seiner deutschen Braut vor. Zumindest die Männer verstehen sich sofort prächtig!

In vier Episoden betrachten die Darsteller „die veränderten Lebensgewohnheiten der türkischen Immigranten“, 50 Jahre nachdem die ersten Landsleute als Gastarbeiter begrüßt wurden. „Von der anderen Seite betrachten wir auch die Doppelmoral in der türkischen Männergesellschaft sowie die der Politiker, die über den EU-Beitritt der Türkei reden“, heißt es von den Schauspielern.

Die Vorstellung beginnt mit der Einreise der Arbeitnehmer, mit einer Art Musterung und einem Gesundheitscheck. Eigentlich wollten sie nur wenige Jahre bleiben, ist immer wieder zu hören. Dann verliebt sich die Tochter auch noch in einen deutschen Jungen! „Wir geh’n heiraten!“, lautet der Entschluss im zweiten Teil, und der koste 15 000 Euro für 1 000 Gäste, erklärt Memet Günter. Der künftige Schwiegervater hat im Urlaub in Antalya ein bisschen türkisch gelernt. „Gratulation!“ – „Nein Integration!“

Die Hochzeit müsse wie in der Heimat laufen, besteht der türkische Brautvater, „wegen der Nachbarn“. Dabei amüsieren sich die Mimen selbst übers „Drehbuch“. Eher ausweichend antwortet das Ehepaar Das in einem Interview fürs Fernsehen: Was denken sie, was fühlen sie, was haben sie vor? „Die Tür zu Europa ist nur von innen zu öffnen“, sagt Memet. Es gebe zwei EUs, die von Kopenhagen, wo Meinungs- und Pressefreiheit festgeschrieben wurden, und die von Maastricht, wo Kriterien für die Ökonomie verankert wurden.

Seit mehr als 30 Jahre versuchen die Gastgeber vom Deutsch-Türkischen KulturVerein, mit Beiträgen aus der Vielfalt der türkischen Kultur auch den Nachwuchs zu gewinnen, betont ihre Vorsitzende Gülseren Eren.

„Wir wollen die Bildung fördern, haben Kurse im Saz-Spiel und Folkloregruppen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche angeboten“, blickt sie zurück. Sobald es die Pandemie-Regeln zulassen, wollen sie sich wieder einmal im Monat zum gemeinsamen Frühstück im Feuerwehrhaus treffen. Vor der Pandemie haben sie jedes Jahr Tagesausflüge unternommen, zuletzt nach Bad Kreuznach. Am 1. Mai reisten sie mit dem Nachwuchs in den Freizeitpark Lochmühle.

Während der Corona-Maßnahmen haben sie Kontakte übers Telefon gepflegt, sich zeitweise jeden Tag geschrieben. „Manche haben sich zur Theateraufführung angemeldet und wieder abgesagt, weil sie Angst haben“, schildert die Vorsitzende. Derzeit fehlen dem aufgeschlossenen und weltoffenen Verein junge Familien. „Viele sind beruflich selbstständig, haben kleine Kinder.“ Sie wünscht sich Veranstaltungen unter freiem Himmel, möchte erneut Lesungen und Musikabend organisieren. Für Juni hat der Vorstand die nächste Stadtführung durch Limburg geplant, an Weihnachten und Silvester wollen sie zusammen feiern. Knapp 80 erwachsene Mitglieder zählt der Kulturverein, dazu zahlreiche Kinder. (Michael Prochnow)

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