Für Zwangsarbeiter eingesetzt

In unserer Serie mit dem Heimat- und Geschichtsverein (HGV) wurde bereits die Verwaltung in Obertshausen und Hausen vom Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jahrhundert vorgestellt. Vorgänger der heutigen Bürgermeister waren die Schultheiße, die in erster Linie für die Eintreibung von Schulden der Dorfbevölkerung an die jeweiligen Landesherren zuständig waren. Die Bürgermeister wurden zuerst aus den Reihen der Stadträte bestimmt, später direkt gewählt. Wobei sich das allgemeine Wahlrecht im Großherzogtum Hessen noch entwickeln musste. Frauen können erst ab 1919 an Wahlen teilnehmen.
Obertshausen - Die neugewonnene Freiheit ist allerdings nur von kurzer Dauer. Denn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 werden auf dem Verordnungswege durch die dann gleichgeschaltete Verwaltung kommissarische Bürgermeister und Beigeordnete eingesetzt. In Obertshausen geschieht dies am 31. Mai. Der bisherige Bürgermeister und heutige Ehrenbürger der Stadt Obertshausen – Johann Karl Kämmerer -– wird seines Amtes enthoben und durch den Ortsgruppenleiter·der NSDAP -– Nikolaus Rudolf – ersetzt.
Genaue Angaben über die in Obertshausen während der Zeit des Nationalsozialismus tätigen Ortsgruppenleiter und Bürgermeister sind infolge einer nur bruchstückhaften Überlieferung leider wenige vorhanden. Aus Protokollen, die in der Nachkriegszeit angefertigt wurden (Entnazifizierung) lässt sich aber die eine oder andere Information herauslesen. Nikolaus Rudolf, bereits seit 1931 Mitglied der NSDAP und innerhalb der Obertshausener Parteiorganisation tätig, übernimmt im März 1933 die Leitung der Ortsgruppe Obertshausen. Er soll ein „starker Vertreter der NSDAP“ gewesen sein, wird jedoch bereits Mitte 1934 aus der Partei ausgeschlossen, „weil er laufend mit einem Juden verkehrt ist, der auch auf einer privaten Feier, die Rudolf anlässlich seiner Ernennung zum Bürgermeister seinen Parteifreunden gab, anwesend war“.
Seine Nachfolge übernimmt bis Ende 1937 Fritz Bosche aus Bieber, dieser wird durch Wilhelm Altenheimer abgelöst. Da Altenheimer bereits am 1. September 1939 zur Wehrmacht eingezogen wird, führt der Beigeordnete (und Nachkriegsbürgermeister) Valentin Döbert die Amtsgeschäfte bis zum Einmarsch der Amerikaner im Jahre 1945. Döbert steht, so die Nachkriegsbeurteilung, „in der letzten Zeit seiner Geschäftsführung als stellvertretender Bürgermeister (...) stark unter dem Druck des Ortsgruppenleiters Johann Alois Jäger“.
Schon bald nach der Machtergreifung kann sich die Gemeinde Hausen rühmen, vom jüngsten, wenngleich sicherlich nicht vom kompetentesten, Bürgermeister Deutschlands regiert zu werden. Der 23-jährige Otto Hecker, der 1932 als Bäckergeselle in den Ort gekommen ist, übernimmt nach der Absetzung des bisherigen Amtsinhabers Johann Georg Bernardus am 1. Juni 1933, neben der Rolle des Ortsgruppenführers, nun auch die Funktion des Bürgermeisters.
Otto Hecker wird bereits im Laufe des Jahres 1933 von Parteigenosse Jakob Paul aus Obertshausen als Ortsgruppenführer abgelöst. „Veranlassung zu dieser Übernahme“ waren laut der Nachkriegsbeurteilung „die Zustände, die sich 1933 durch das terroristische Treiben der SA entwickelten, dem Paul nicht tatenlos zusehen konnte (...) Besonders seinem Onkel Josef Paul als ehemaliger Beigeordneter wurde dabei übel mitgespielt. Mehrere SA-Leute wurden auf seine Veranlassung hin zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.“
Das Amt des Bürgermeisters ging nun kurzfristig an den Beigeordneten Johann Fischer, bis es ab 3. April 1934 von Jakob Haupt, dem kommissarischen Bürgermeister von Lämmerspiel mit übernommen wird. In einem NS-Beurteilungsbogen wird Haupt allerdings als einfacher, mäßig begabter Mensch geschildert. Am 27. Januar 1938 wird Haupt aus der NSDAP ausgeschlossen, das Amt des Bürgermeisters ist somit erneut vakant.
Da sich alle den Nationalsozialisten opportunen Kandidaten als unfähig erwiesen haben, drängte der frühere kommissarische Bürgermeister Johann Fischer nun Georg Messer das Amt zu übernehmen. Parteiamtlich wird Georg Messer „ein fester Charakter, ein gutes Allgemeinwissen, eine verlässliche Weltanschauung und“ vor allem, nach den vorhergegangenen Pleiten sicherlich wichtig, ein „gutes Ansehen bei der Partei, den Behörden und der Bevölkerung“ bescheinigt.
Von Zeitzeugen wird Georg Messer allgemein als ein sehr „kulanter Mann“ geschildert. Deshalb hat er bei der Ausübung seiner Tätigkeit häufig Differenzen mit dem Hausener Ortsgruppenleiter Adam Winter II, der ihn dafür beim Landrat denunziert. In der Nachkriegsbeurteilung wird über Georg Messer folgendes festgehalten: „Die angestellten Ermittlungen ließen erkennen, dass der Betroffene sich in Hausen sehr tolerant verhalten hat. Er hat den Abtransport eines jüdischen Mischlings verhindert, indem er innehaltend in dessen Sache berichtete. Von vielen Zeugen, darunter anerkannte Antifaschisten, wird die anständige Art hervorgehoben, in welcher sich der Betroffene für die Belange der in Hausen untergebrachten Ausländer [Anm.: Zwangsarbeiter] einsetzte.“
Am 26. März 1945 gegen 17 Uhr besetzen Soldaten der 71. US-Infanterie-Division Obertshausen. Beigeordneter Valentin Döbert – der kommissarische Bürgermeister –geht ihnen mit einer weißen Fahne entgegen. Kurz zuvor haben die Nationalsozialisten noch schnell, wie in vielen anderen Gemeinden ebenso, ihre Parteiakten vernichtet. Einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner will in Hausen NSDAP-Ortsgruppenleiter Adam Winter II. den Bürgermeister noch zur Flucht überreden, Georg Messer bleibt jedoch im Ort und schreitet den amerikanischen Soldaten am 26. März ebenfalls mit einer weißen Fahne entgegen.
Die Zeit des Nationalsozialismus in Hausen und Obertshausen wird ausführlich in der zweiten Auflage der 336 Seiten starken Chronik „Obertshausen – Eine Zeitreise durch unsere Heimat“ geschildert. Sie ist in Obertshausen beim Büchertreff, in Hausen Hoffmann-schreiben-spielen-schenken und beim Jäger-KFZ-Service (ARAL) erhältlich. Die Chronik kann auch über den Heimat- und Geschichtsverein (Mail: vorstand@hgv-obertshausen.de) bestellt werden. Im letzten Teil wird es um die Nachkriegszeit bis zur Gebietsreform und dem Bau der beiden Rathäuser gehen. lur
Die beiden ersten Teile sind unter op-online.de/region/obertshausen/ zu finden.