Heinz Vötsch sucht Nachwuchs für die Sitzballer der BSG Hausen

Sitzball: Auch wer von dieser Sportart noch nicht viel gehört hat, kann sich vom Namen zwei Dinge ableiten. Erstens ist es eine Ballsportart und zweitens wird sie im Sitzen gespielt. Während sich die fünf Spieler einer Mannschaft den Volleyball gegenseitig möglichst so zuspielen, dass sie ihn gut über die auf einem Meter Höhe angebrachte Leine im gegnerischen Feld unterbringen können, müssen sie immer am Boden bleiben.
Obertshausen - „Zum Schlagen darf der Spieler etwas auf die Knie gehen, wenn er sich dem Ball entgegenstreckt“, sagt Heinz Vötsch. Wer sich zu sehr aufrichtet, wird zurückgepfiffen. So ist es zumindest bei den Deutschen Meisterschaften. Meisterschaften hat Vötsch schon einige gespielt. Die BSG Hausen, seit 1988 sein Verein, hat regelmäßig die Hessenmeisterschaften gewonnen. Nun wird dieser Titel nicht mehr ausgespielt, weil es nur noch zwei Mannschaften in Hessen gibt. Auch der BSG fehlt der Nachwuchs. Aber Vötsch hält an der Mannschaft fest: „Beim Training vergesse ich, aber auch die anderen, Sorgen, Schmerzen und Probleme. Am Ende gehen alle nach Hause und hatten eine gute Zeit.“
Bei den Sitzballern gibt es Spieler, denen ein Bein amputiert wurde. Die Ursachen sind Unfälle oder Knochenkrebs. Andere haben keine Amputation, aber Knieschäden. Heinz Vötsch hat nach einem Arbeitsunfall beide Beine verloren. „Wir sind offen für jeden“, sagt der 66-Jährige. In der Mannschaft spielen Männer und Frauen gemeinsam und das Alter sowie die Art der Behinderung spielen keine Rolle: „Beim Sitzball kann ich zeigen, dass ich leistungsfähig bin. Ich kann mit meiner Spielintelligenz, mit Reaktionsschnelligkeit und einem guten Schlag mit anderen, die zwei Beine haben, mithalten.“
Für Heinz Vötsch sind die Sitzballer Familie
Nach dem Arbeitsunfall 1986, der Vötsch seine Beine gekostet hat, wurde er von seinem Arzt auf den Sport gebracht. Ein Bekannter aus Groß-Umstadt, wo Vötsch wohnt, hat ihn mit nach Hausen genommen. „Damals war Sport für mich so weit weg wie der Mond“, sagt Vötsch. Er ist froh, dass sein Arzt ihn auf die Sportart aufmerksam gemacht hat. Denn gekannt hat er sie davor nicht.
Heinz Vötsch würde seine Erfahrungen gerne an andere weitergeben. Er genießt die Gemeinschaft bei den Sitzballern, die er als „Familie“ bezeichnet. Aber er braucht auch Zeit für sich. Dann fährt er mit Proviant und einem Buch auf seinem Hand-Bike – einem Fahrrad, dass er durch Kurbeln mit den Armen antreibt – zum Beispiel in den Taunus. Dort setzt er sich an den Waldrand, genießt die Aussicht und liest sein Buch. „Es gibt keinen Tag, an dem ich keine Schmerzen an meinen Stümpfen habe. Aber wenn ich durch Sport auf andere Gedanken komme, spüre ich sie nicht mehr.“
Wenn jemand neu zu den Sitzballern kommt, gibt er gern sein ganzes Wissen weiter. Das gilt nicht nur für den Sport, sondern auch für Fragen, etwa zur richtigen Prothese, zu HIlfen vom Staat und was trotz Amputation noch alles möglich ist. Vötsch erzählt von einem Mitspieler, dem er gesagt hat: „Du hast noch ein Bein, du kannst Fahrrad fahren, Treppen steigen, du kannst alles machen.“ Wegen Schmerzen an der Amputationsstelle hat er das bisher nicht gemacht.
Die Sitzballer freuen sich über jeden, der bei ihnen reinschnuppert. Vötsch weiß, dass viele nach einer Amputation alleingelassen werden. Da möchte er einspringen: „Es ist mir eine riesige Freude, wenn ich sehe, wie neue Spieler nach einer Zeit aufgehen, wenn sie merken, wie viel möglich ist. Sie haben ein neues Lebensgefühl.“ (Von Theresa Ricke)
Kontakt
per E-Mail an Heinz Vötsch unter heinz.voetsch@bsg-hausen.de. Weitere Infos: bsg-hausen.de/sitzball.