Ausstellung in der Waldkirche zeigt Meilensteilen der Gleichberechtigung

Theologie konnten Frauen studieren, Vikarin werden – aber echte Pfarrerinnen konnten sie nur so lange sein, wie sie unverheiratet waren. Dafür gab es regelrechte Zölibatsklauseln – nicht nur in der Kirche, sondern auch im Beamtenrecht. Begründung: Die Aufgaben einer Hausfrau und Mutter seien nicht mit einem anderen Beruf vereinbar. So war das bis 1971.
Obertshausen – Vor einigen Jahren gingen auch die evangelische Gemeinde Obertshausen und Kornelia Kachunga „Mutige Schritte“, der Kirchenvorstand hieß sie als Seelsorgerin willkommen.
„Mutige Schritte“, das ist auch der Titel der aktuellen Ausstellung in der Waldkirche. Sie zeigt auf 14 Tafeln den Weg der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Pfarramt und basiert auf einem Kirchengesetz der Synode. Im Dezember 1970 hatte sie die völlige rechtliche Gleichstellung im Pfarrdienst beschlossen.
„Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann herrsche, sondern sie sei still.“ Der Vers aus dem 1. Brief des Paulus an Timotheus ist die Grundlage einer Auseinandersetzung. Denn trotz aller Fortschritte im Verständnis der Bibel wurde die Heilige Schrift lange als schlagendes Argument gegen die Gleichstellung der Frau eingesetzt. Zudem wurden „Zweifel an den physischen und intellektuellen Fähigkeiten der Frauen laut, ein so komplexes Amt wie das des Gemeindepfarrers auszuüben“, heißt es auf der ersten Tafel.
Doch, „Stück für Stück wurden falsche Annahmen über weibliche Denk- und Leistungsfähigkeiten erschüttert“, erfährt der Besucher. „Wann immer kleine Löcher in die Mauer gegen weibliche Beteiligung in der Gesellschaft und in der Kirche geschlagen wurden, fanden sich Frauen, die sich tapfer durch die Spalten zwängten, mit ihrem Beispiel die Breschen weiteten und mutigen Schritts weitergingen.“ Im 19. Jahrhundert, dort beginnt die Übersicht, entwickelte sich im Deutschen Reich eine Frauenbewegung. Deren vorrangiges Ziel war es, die wirtschaftliche Existenz unverheirateter Frauen aus dem Bürgertum durch Bildung und „standesgemäße“ Berufe zu sichern.
Einer der größten Erfolge dieser Frauenbewegung war die Öffnung der deutschen Universitäten für Frauen in den Jahren 1900 bis 1909. Zehn Jahre später bewirkte die Weimarer Verfassung die staatsbürgerliche Gleichstellung. Examinierte Theologinnen durften jedoch nach wie vor nur als Vikarin oder Pfarramtshelferin tätig werden, wurden nur eingesegnet. Während des Krieges waren Frauen im Kirchendienst geduldet, weil die Pfarrer zum Dienst an der Waffe eingezogen waren.
Die sogenannte Vikarinnenverordnung von 1949 ermöglichte, dass Theologinnen von der Landeskirche angestellt werden konnten. Sie sah eine Ordination vor, mit der „auch der Auftrag zur Sakramentsverwaltung im Rahmen ihres Dienstes“ einherging. Die Dienstbezüge betrugen bis 1955 80 Prozent derjenigen der Pfarrer, und bei einer Heirat musste eine Vikarin aus dem Dienst ausscheiden, informiert ein Display in der Ausstellung.
In einigen Fällen sollten Theologinnen „keinesfalls vom Altar aus sprechen“, in anderen nicht von der Kanzel. Manche durfte keinen, andere sollten Talar tragen. 1954 erließ die EKHN die Anweisung: „Statt des Bäffchens trägt die Vikarin weiße hemdenblusenähnliche Ecken (Überschläge) zum Einknöpfen aus Reinleinenbatist mit einfacher Steppnaht.“ Ab 1958 wurde die Dienstbezeichnung „Pfarrerin“ erlaubt, die Diskussionen aber gingen weiter. Die Historie ist noch am Sonntag, 31. Oktober, in Waldkirche und Living Room zu verfolgen. Oder nach vorheriger Terminabsprache. (Von Michael Prochnow)
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