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Nach Messerattacke in Obertshausen: Angeklagter ist nicht schuldfähig

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Gesetzesbücher und Hammer
Urteil nach Messerattacke in Obertshausen: Der Angeklagte wurde als nicht schuldfähig erklärt. (Symbolbild) © Marina5/Imago

Ein Mann hat plötzlich zwei Freunde in Obertshausen mit einem Messer angegriffen. Ein Gutachten sieht eine gefährliche Kombination als Grund.

Obertshausen/Darmstadt – Der 26-jährige Baborzai B. ist schuldunfähig und wird im Maßregelvollzug einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Das ist das Ergebnis der viertägigen Hauptverhandlung der Schwurgerichtskammer am Landgericht Darmstadt. B. hatte am 15. Mai 2022 in der Hausener Asylunterkunft scheinbar grundlos auf zwei Freunde eingestochen (wir berichteten). „Die Tat an sich ist ohne Psychose nicht erklärbar“, konstatiert Staatsanwältin Karin Ophaus in ihrem Schlussvortrag.

Die ursprüngliche Anklage wegen versuchten Mordes wurde fallen gelassen. „B. hat zwar das Messer in die Oberkörper gerammt. Nach drei Stichen hat er aber von seinen Opfern abgelassen. Er ist vom Versuch der Tötung zurückgetreten, was bleibt, ist eine gefährliche Körperverletzung.“ Trotz dieser rechtlichen Wertung – eine der beiden Verletzungen, die der 38-jährige A. erlitt, war lebensgefährlich. Der Täter hatte ihn von hinten in der linken Schulter erwischt und eine Arterie getroffen, A. verlor mindestens zweieinhalb Liter Blut. Ohne Not-Operation wäre er verblutet.

Messerangriff in Obertshausen: Angeklagter ist schuldunfähig

Die beiden Männer sind mit B. befreundet, saßen am Abend des Tattags zu viert in einem der Schlafzimmer und tranken Tee. Plötzlich sei der 26-Jährige raus gegangen und ein paar Minuten später mit einem Messer mit sechs Zentimeter Klingenlänge in der Hand zurückgekehrt. Ohne Vorwarnung stach er zu. Dem 33-jährigen H. fügte er eine tiefe Wunde in den linken Oberbauch zu, die aber „nur“ genäht werden musste. Die beiden Männer traten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Anwalt Dr. Hans-Jürgen Kost-Stenger: „Meine Mandanten haben keine Erklärung für die Tat. Sie haben aber auch keine Bestrebungen zu einer Bestrafung gezeigt. Der Angeklagte ist schuldunfähig. Er braucht Hilfe.“ Uneins ist er mit der Staatsanwältin allerdings, was das Tötungsdelikt angeht. „Der Versuch war bei A. soweit vollendet, dass man nicht von einem Rücktritt sprechen kann. Wenn der Rettungswagen nur fünf Minuten später eingetroffen wäre, wäre es für A. zu spät gewesen!“

Für Verteidiger Onur Türktorun bleibt nach der gesundheitlichen Diagnose nicht mehr viel zu sagen: „A. hat nicht verstanden, was mit ihm passiert ist, warum er seine Freunde angegriffen hat. Er war nicht Herr seiner Sinne. Er hatte nie die Absicht, jemanden zu töten.“

Plötzlicher Messerangriff: Konsum von zahlreichen Drogen sorgt für Stimmungswechsel

Für den psychiatrischen Sachverständigen Dr. Peter Haag war das Ergebnis aber gar nicht von Anfang an klar. Zunächst stach der übermäßige Haschischkonsum als auffälligstes Element im Lebenslauf von B. heraus. „Vier bis fünf Joints am Tag, daneben Zigaretten, Alkohol, manchmal Kokain, gelegentlich Amphetamine. Doch ein von was auch immer ausgelöster Rausch war nicht der eigentliche Grund der Tat“, so der Psychiater. Die entscheidende Wendung für das Gutachten brachte die ausführliche Beschreibung einer Sozialarbeiterin, die den Häftling in der Untersuchungshaft betreut, wo er seit der Tat sitzt. „Sie schilderte affektive Stimmungswechsel, eine läppische Heiterkeit.“ B. habe sich bedroht gefühlt, hatte optische und akustische Halluzinationen, machte suizidale Äußerungen, fühlte sich verfolgt. Alles typisch für eine paranoide Schizophrenie. Und die Symptome gehen weit über eine drogeninduzierte Diagnose hinaus. „Bei einer gewissen Disposition wirken das THC, aber auch andere Drogen, besonders schädlich. Und die Kombination aus Betäubungsmitteln und Schizophrenie kann fatale Folgen haben“, erklärt Haag. Die Einsichtsfähigkeit in die Tat sei noch vorhanden gewesen, die Steuerungsfähigkeit aber ausgeschaltet. „Ohne Behandlung und bei einer erneuten Psychose stellt er eine große Gefahr für seine Umwelt dar. Bei Behandlung und Krankheitseinsicht fällt die Prognose aber günstig aus.“ (Silke Gelhausen)

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