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„Einen rigorosen Schnitt gemacht“: Bürgermeister Manuel Friedrich über die städtischen Finanzen

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Von: Lukas Reus

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Keine leichte Aufgabe: Bürgermeister Manuel Friedrich will den städtischen Haushalt sanieren.
Keine leichte Aufgabe: Bürgermeister Manuel Friedrich will den städtischen Haushalt sanieren. © P

Klammer Stadtsäckel, überall, wo es noch geht, muss der Rotstift angesetzt werden: Obertshausens Finanzlage ist prekär, Investitionen und Sanierungen stauen sich. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht Bürgermeister und Kämmerer Manuel Friedrich über vergangene und zukünftige Steuererhöhungen, die Auswirkungen der Pandemie und was geschehen muss, damit die Stadt wieder in finanziell stabile Fahrwasser kommt.

Obertshausen – Die Grundsteuer B wurde kürzlich von den Stadtverordneten auf 600 Punkte – und damit deutlich – erhöht. Wie viel Spielraum bietet die Anhebung der Stadt? Oder müssen Sie mit dem Geld vornehmlich Löcher stopfen?

Wir sind hier an die strikten Vorgaben des Finanzplanungserlasses vom Hessischen Innenministerium gebunden. Sie sehen einen ausgeglichenen Ergebnis- und Finanzhaushalt sowie den Aufbau einer Liquiditätsreserve vor. Andernfalls muss ein Haushaltssicherungskonzept vorgelegt werden. Trotz der von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Grundsteuererhöhung auf 600 Punkte werden wir im Ergebnishaushalt ein Defizit von rund 170 000 Euro haben, welches wir durch die Rücklagen decken können. Im Finanzhaushalt bleibt zur Deckung der Kredittilgungen eine Deckungslücke von rund 1,2 Millionen Euro. Deshalb haben wir ein Haushaltsicherungskonzept beschlossen, welches den Ausgleich im Jahr 2024 und den Aufbau der Liquiditätsreserve ab 2025 vorsieht. Dies bringt auf jeden Fall mehr Sicherheit auf dem Konsolidierungspfad. Die Stadt Obertshausen wird damit also weder aus dem Vollen schöpfen, noch die Löcher stopfen können.

Ist schon absehbar, wann die nächste Grundsteuererhöhung kommen könnte, oder ist nun erst mal das Ende der Fahnenstange erreicht?

Nein, absehbar ist die nächste Erhöhung nicht. Ich danke den Stadtverordneten, dass sie diese unpopuläre Maßnahme getroffen und zudem den Haushalt erstmals einstimmig beschlossen haben. Es geht in dieser so schwierigen Zeit der Krise zudem um eine Sensibilisierung aller politisch handelnden Kräfte und der Bürgerschaft, vor welchen Herausforderungen, aber auch bestehenden Problemlagen wir aktuell stehen und in Zukunft noch stehen werden. An der Steuerschraube zu drehen, kann kein dauerhaftes Ziel des Magistrats und der Stadtverordneten sein. Dafür werden wir die nächsten Monate und Jahre trotz unterschiedlicher Prioritäten für unsere Stadt gemeinsam an einem Strang ziehen müssen.

In den kommenden Jahren soll der Haushalt ausgeglichen sein. Eine unmögliche Mission? Oder wo wollen Sie einsparen?

Einsparungen haben wir beispielsweise bei den Sach- und Dienstleistungen, Instandhaltungen unserer Wohnungen und Gebäude und mit Abschlägen bei den Personalkosten vorgenommen. Dort sind wir am Minimum angekommen. Die Stadtverordneten haben es anerkennend zur Kenntnis genommen, dass ich als Kämmerer einen rigorosen Schnitt gemacht habe. Über weitere Bereiche sowie politische Beschlüsse müssen wir gemeinsam sprechen und diese nochmals neu priorisieren. Wir hoffen zudem, wie vom Hessischen und Deutschen Städtetag in den November-Steuerschätzungen prognostiziert, dass die Gewerbesteuerentwicklungen deutlich positiver sind, als zunächst erwartet. Dazu hatten wir im Sommer ein Gespräch mit dem Hessischen Kommunalberatungszentrum, dem Partner der Kommunen beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. Dort gab es mehrere Vorschläge des Hessischen Rechnungshofs, die wir nun mit den Stadtverordneten beraten werden. Wir werden die Kommunalberatung im Jahr 2022 in einen öffentlichen Ausschuss nach Obertshausen einladen und den Prozess der Konsolidierung gehen.

Die Omikron-Variante und ein neuer Lockdown könnten all diese Hoffnungen zunichte machen ...

Richtig. Wir versuchen, eine solide Planung aufzustellen, doch durch die Pandemie müsste man die Planung fast schon täglich oder wöchentlich überprüfen. Generell ist Corona eine Krise, die im Gegensatz zu vielen anderen vorherigen Krisen, gleich mehrere Haushalte trifft.

In Obertshausen stauen sich die Sanierungs- und Investitionskosten. Wie kann die Stadt in den kommenden Jahren die dringend notwendigen Investitionen stemmen?

Wir müssen von Jahr zu Jahr schauen, welche Investitionen und Sanierungen wir uns bei den sehr schwankenden Gewerbe- und Einkommensteuerentwicklungen während der Pandemielage überhaupt leisten können. Beispielsweise sind im aktuellen Haushaltsplanentwurf keine weiteren Kita-Ausbauprojekte über das Jahr 2022 hinaus oder auch der Neubau eines Rathauses enthalten. Diese Projekte müssen zwecks Finanzierung frühzeitig diskutiert und geplant werden. Große Versprechungen wird es erst mal nicht geben können. Zunächst benötigt es eine Skizzierung des aktuellen Sanierungs- und Investitionsstaus der Stadt Obertshausen, der sich bereits seit den letzten Jahrzehnten aufgestaut hat und nie transparent gemacht wurde. Ich möchte für diese Transparenz stehen, auch wenn sie ernüchternd sein wird.

Mit dem Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, dem Obertshausen beitreten will, soll auf die prekäre Lage vieler Kommunen aufmerksam gemacht werden. Was müsste geändert werden, damit die Kommunen entlastet werden?

Ein Programm des Altschuldenabbaus und gezielte Hilfen für finanzschwache Kommunen, beispielsweise Aufgabenentlastung, komplette finanzielle Unterstützung von Bund und Land bei der Aufgabenübertragung, lokal konzentrierte anstatt breite kommunale Entlastung sowie Unterstützung bei der unterdurchschnittlichen Investitionskraft von Kommunen. Denn viele Ziele und Wünsche von Bund und Land – wie der Rechtsanspruch bei der Kinderbetreuung oder der Ganztagsbetreuungsplatz für Grundschulkinder ab 2026 – passen aus meiner Sicht nicht mit den Gegebenheiten in unseren Kommunen und auch hier vor Ort zusammen, ohne die ausreichenden finanziellen Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen. Dies sieht auch der Hessische Städtetag so, der vor einer finanziellen Überforderung der hessischen Städte warnt. Unter uns Bürgermeistern herrscht die Sorge, dass wir vor allem auf den Gebieten Klimaschutz und Digitalisierung neue Aufgaben bewältigen wollen und müssen, die wir nicht mehr finanzieren können. Diese neuen Aufgaben kommen, alte Aufgaben bleiben und wachsen sogar noch weiter an. Das Konnexitätsprinzip wird von Bund und Land nicht eingehalten.

Wie optimistisch sind Sie, dass in Zukunft Bund und Länder die Kommunen mehr entlasten?

Bisher gab es im Jahr 2020 als große Maßnahme die Gewerbesteuerkompensation. Weitere Maßnahmen müssen folgen, sonst bekommen finanzschwache Kommunen weitere Probleme. Der Deutsche Städtetag warnt beispielsweise vor dem Rotstift bei kommunalen Investitionen –Bund und Länder müssen die Corona-Folgen auffangen. Spätestens nach der Bundestagswahl müsste sich der Bund endlich einen Ruck geben und handeln. Ob was kommt, oder wir allein gelassen werden, kann ich nicht sagen. In den Koalitionsverhandlungen der neuen Bundesregierung und in dem vorliegenden Papier kommen mir die Forderungen der Kommunen nicht ausreichend vertreten vor. Doch man wird es in den finanziellen Details der einzelnen Programme sehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir in den Rathäusern müssen und werden auch weiterhin die Ergebnisse der Landes- und Bundespolitik abfedern und den Bürgerinnen und Bürgern so gut es geht, die Zusammenhänge erklären.

Das Gespräch führte Lukas Reus.

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