Der „Weingott“ wird schließen: Obertshausen verliert seinen womöglich größten Weinexperten

In Obertshausen wird gerne Wein getrunken, ist sich Hugo Beutler-Torkler sicher. Bald steht sein Wissen aber nicht mehr bei der Suche einer guten Flasche zur Verfügung.
Obertshausen – Der „Weingott“ verlässt den siebten Himmel der guten Tropfen. Hugo Beutler-Torkler kennt jeden Bocksbeutel aus dem Frankenland, den Alde Gott aus Sasbachwalden und den Solar Viejo Orube Crianza aus der spanischen Rioja am Ebro. Für jeden Anlass und jeden Geschmack findet er in seinen Regalen die passende Flasche. Damit ist jetzt Schluss, „Hugos Weinwelt“ am Alten Friedhof schließt. Für immer.
Die Liebe der Obertshausener zum Rebensaft weckte Dieter Stetter. Der Händler begann mit Verkauf und Lieferung in seiner Wohnung an der Schubertstraße. 1985 kaufte die Familie ein Grundstück an der Bürgermeister-Mahr-Straße und baute den Weinkeller mit Lager und Laden. „Allen Unkenrufen zum Trotz rannten ihm Kundinnen und Kunden nach der Eröffnung am 14. April 1986 die Bude ein“, berichtete die Zeitung.
Als der Experte 2004 plötzlich starb, führte Ehefrau Marianne Stetter das Unternehmen in eigener Regie weiter. Den Verkauf gab sie 2007 an Beutler-Torkler ab. Am 1. Januar 2015 zog er mit seiner Bodega in das ehemalige Radiogeschäft an der Friedhofstraße ein. Der gebürtige Pfälzer ist gelernter Chemiker, strebte das Lehramt an. Es kam anders: Nach 20 Jahren in einem Weinhandel in Gelnhausen kam er zum Weinhaus Stetter in Hausen.
„Hugos Weinwelt“ in Obertshausen schließt: Persönliche Besuche waren immer wichtig
Auf der Kirchweih seiner Jugendzeit sei nie Bier, immer nur Wein ausgeschenkt worden, erzählt er. „Die Berührung mit dem Göttertropfen war unumgänglich.“ Sein Wissen hat er sich über die Jahre angeeignet. Schon während des Studiums habe er mit einem Freund erfolgreich einen Weinhandel aufgezogen. Bis heute besucht der Kenner regelmäßig Weinmessen, knüpft dort vor allem Kontakte mit Winzern aus Spanien, Frankreich und Südtirol. Pro Wein in Düsseldorf sei ihr zweitgrößtes Treffen in Europa nach Verona.
Sehr wichtig sei ihm auch der persönliche Besuch bei Winzern in Franken, der Pfalz oder im Rheingau. Daher sei sein Sortiment zum größten Teil mit deutschen Rebsäften bestückt. Badische Weine seien wieder im Kommen, seien gefragt, lehrt der Fachmann. „Die Obertshausener sind Weintrinker“, sagt er und lässt für einen Moment ein Lächeln über sein Gesicht huschen.
„Meine Kunden wollen was zu den Weinen erfahren“, fährt der Geschäftsmann fort. Das Wissen müsse man sich aneignen, unterstreicht er. Darum probiere er jährlich rund 2000 Sorten. „Die Obertshausener fragen nach Weinen für den täglichen Gebrauch“, mit wenig Gerbsäure und für fünf bis 15 Euro. „Abgehobene Produkte“ seien nicht sein Metier.
Bei „Hugos Weinwelt“ in Obertshausen findet sich auch ein besonderer Tropfen
Er führt aber auch „Schmankerl“ in seiner Auswahl. Petit Verdot sei so eines, eine ganz seltene Randrebensorte. 34 Euro kostet die Flasche, deren Inhalt aus sehr kleinen Trauben stammt, die eine tiefrote Farbe auszeichnet. Durch Haut und Stile werde eine kräftige Säure hervorgerufen, das Anbaugebiet sei winzig und umfasse nur den Hof des Winzers in La Mancha.
Hugo Beutler-Torkler stattet hauptsächlich Privatkunden aus, Familien- und Firmenfeiern, aber auch Vereins- und Weinfeste in Dietzenbach, Heusenstamm und Obertshausen sowie Restaurants im Rhein-Main-Gebiet. „Corona war eine Dürre-Periode für uns“, resümiert der Händler. „Die Gastronomie ist zeitweise auf null gesunken“, gibt er zu bedenken, „die Vereine durften nichts veranstalten.“
Corona hat „Hugos Weinwelt“ in Obertshausen schwer getroffen
Ein Großteil der Kunden sei in die Supermärkte abgewandert. „Du musst froh sein, wenn du noch so viel verdienst, dass du deine Miete bezahlen kannst“, deutet der Pächter an. Und öffnet eine Flasche Lambrusco, „der nur in Nordeuropa süß ist, in Italien oft furz-trocken“.
Bis zum 31. Dezember möchte der künftige „Un-Ruheständler“ neben Weinen und Gläsern auch seine Regale und die Spülmaschine verkauft haben. Auf so manchem Fest werde er aber noch auftauchen, kündigt er an. „Meine Vereine möchte ich noch unterstützen“. (Michael Prochnow)
Die Inflation macht vielen Unternehmern zu schaffen. Um nicht auch schließen zu müssen, hat die Inhaberin der „Karotte“ in Obertshausen ein ganz eigenes Konzept entwickelt.