„Wir sind älter als die D-Mark“: Traditionsbuchhandlung macht endgültig dicht

Und wieder stirbt ein Stück Stadtgeschichte: Wenn Roland Henzler seine Buchhandlung in Obertshausen am Samstag nach Ostern schließt, dann ist das für immer.
Obertshausen – Mit seiner Ehefrau Ute möchte Henzler dann den Ruhestand genießen, wie der 65-jährige erklärt. Die Stadt als Eigentümerin möchte das Ladengeschäft am Marktplatz nicht neu vermieten, sondern das gesamte Gelände um die Friedrich-Fröbel-Schule entwickeln, heißt es.
„Immerhin, wir sind älter als die D-Mark“, scherzt der Inhaber. Der Betrieb startete am 15. Juni 1948, eine Woche vor der Währungsreform. Seine Großeltern, der Buchbinder Ludwig Henzler und seine Frau Susanne, eröffneten den Laden gegenüber der heutigen Metzgerei Picard. Zum Sortiment zählten Zeitungen, Schreibwaren, Schulbedarf und Leihbücher. „Damals konnten sich die Leute keine Bücher leisten“, berichtet Roland Henzler, und eine Gemeindebücherei gab es auch noch nicht.
Der Erfolg sprach für sich –bald richteten die Hausener zwei Filialen ein. „Frisieren lassen mit einem Leihbuch von Henzler“, lautete das Motto bei einem Frisör in Nieder-Roden, wo die Buchhändler drei Meter für ein Regal nutzen durften, die sie mit Trivial-, Wildwest- und Liebesromanen füllten. Im Herbst 1949 radelten sie zur ersten Frankfurter Buchmesse der Nachkriegszeit, die damals in der Paulskirche stattfand. Dort orderte der Geschäftsmann Werke, die dann auch in den Verkauf gelangten.
Traditionsbuchhandlung Henzler in Obertshausen: 75 Prozent des Umsatzes mit Büchern
Anni und Linus Henzler, die Eltern des Inhabers, sowie seine Tante Susi Krah, die Schwester des Vaters, haben von Anfang an mitgeholfen. Er war gerade vier Jahre alt, als das Fachgeschäft 1960 an den heutigen Standort an der Kurt-Schumacher-Straße zog. „Damals führten wir viele Spielsachen, das Angebot schrumpfte aber zugunsten der Bücher“, erzählt Roland Henzler. Aktuell gehen vor allem Bände für Kinder und Schule über die Theke sowie Taschenbücher für Erwachsene. „Viele kommen mit gezielten Bestellungen.“
15 Tageszeitungen führt das Fachgeschäft noch, Schulsachen machen nur zehn Prozent des Umsatzes aus, rund 75 Prozent die Bücher. „Am Vormittag geben sich die Kunden die Tür in die Hand, am Nachmittag ist weniger los“, beobachtet der Chef.
Buchhandlung in Obertshausen: Fast kein Urlaub für Ehepaar Henzler
„Je länger die Kollegen in der Großstadt offen haben, desto ruhiger wird es vor Ort“, ist die Erfahrung, die der Buchhändler gemacht hat. Früher machte Henzler, der den Laden 1983 mit der damaligen Angestellten und heutigen Ehefrau übernommen hat, samstags seinen größten Umsatz. Heute seien die Einnahmen am Wochenende eher schlecht. „Die Lieferdienste haben uns sehr viel weggenommen“, stellt er klar. Der stationäre Buchhandel habe mit fast 50 Prozent Rückgang zu kämpfen. „In Hausen ist es nicht so schlecht, unsere Kunden sind sehr treu.“ Ihretwegen tut ihm die Schließung leid.
Doch Roland Henzler hat eine schwere Herzoperation überlebt. „Wir hatten fast keinen Urlaub“, gesteht er. Nun möchten sie Deutschland von Nord- und Ostsee bis zum Schwarzwald und die Sächsische Schweiz erkunden, verrät der Natur-Fotograf. Die Buchhandlung ist am Samstag, 12. April zum letzten Mal geöffnet. (Von Michael Prochnow)
Neues gibt es in Obertshausen auf dem Spielplatz am Hausener Rathaus. Dort hat die Stadt 63 .000 Euro investiert.