Schockanruf in Obertshausen: 79-Jährige spricht über dreiste Masche der Betrüger

Eine 79-Jährige aus Obertshausen fällt auf einen betrügerischen Anruf rein. Sie ist sich sicher gewesen, dass sie ihre Tochter um Hilfe anfleht.
Obertshausen – Wer Opfer eines Trickbetrügers geworden ist, leidet oft doppelt: Natürlich ärgert man sich maßlos darüber, um Geld oder Wertgegenstände betrogen worden zu sein. Hinzu kommt aber auch die Scham, auf die dreisten Maschen der Gauner hereingefallen zu sein. Dabei hatte man doch gedacht, dass einem selbst so etwas nie passieren könne, wenn man von solchen Geschichten hörte oder las.
Das hatte auch Hannelore W. (Name geändert) aus Obertshausen gedacht. Und doch ist die Seniorin Opfer eines besonders dreisten Trickbetruges geworden und hat dabei einen mittleren vierstelligen Bargeldbetrag und Schmuck im Wert von mehr als 30 000 Euro verloren. Auch die Endsiebzigerin hat sich in den Tagen danach „geschämt, so dumm gewesen zu sein“. Und doch hat sich die Obertshausenerin überwunden und unserer Zeitung in einem ausführlichen Gespräch geschildert, was ihr am Montag vor zwei Wochen widerfahren ist. „Ich möchte meine Mitbürger damit warnen, dass ihnen nicht Ähnliches passiert,“ sagt die Rentnerin, die sich noch ganz genau an jenen verhängnisvollen Anruf erinnert, der absolute Panik und Angst in ihr auslöste, sodass sie praktisch keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und sie am Ende zum willfährigen Opfer gewissenloser Gauner werden ließ.
Schockanruf in Obertshausen: Vermeintliche Kommissarin am Telefon
Es ist Montag, gegen 14.30 Uhr. Ein schönes Wochenende liegt hinter Hannelore W. Ihre in Berlin lebende Tochter hatte sie mal wieder besucht und ist sonntags dorthin zurückgefahren. Die 79-Jährige bügelt, hr4 bringt Schlagermusik, als das Telefon klingelt: Es meldet sich eine Frauenstimme.
Die Unbekannte gibt sich als Oberkommissarin der Polizei Berlin aus und fragt, ob Hannelore W. sitze, denn was sie zu berichten habe, sei schrecklich. Und es folgt eine Horrorgeschichte: Ihre Tochter, deren Namen und Wohnort die Anruferin offenbar kennt, habe einen „Unfall mit Todesfolge“ verursacht. Im Bereich des Kudamms sei sie einem Autofahrer mit höherer Geschwindigkeit aufgefahren, ihr Wagen sei dann gegen eine Radlerin geschleudert, die ein Kleinkind bei sich hatte. Das Kind sei unter das Auto geraten und sofort tot gewesen. Man habe die Tochter festnehmen müssen. Diese sei nun akut suizidgefährdet.
Opfer von Schockanruf spricht mit einer aufgelösten Frau, die sie „Mama“ nennt
Hannelore W. ist völlig außer sich. Sie will ihre Tochter sprechen. Und tatsächlich, am anderen Ende der Leitung meldet sich eine offenbar völlig aufgelöste Frau und fleht mit tränenerstickter Stimme: „Mama, Mama – was hab ich getan! Du musst mir helfen.“
Für Hannelore W. ist in dem Moment ganz klar: „Das ist meine Tochter.“ Etwas anderes sei ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen, selbst dann nicht, als der Anruf immer abstrusere Züge annimmt. So spricht die angebliche Oberkommissarin plötzlich von der Möglichkeit, die Tochter könne auch von Berlin nach Offenbach überstellt werden. Hannelore W. solle am Telefon bleiben, sie werde versuchen, das mit der Staatsanwaltschaft am Amtsgericht Offenbach zu klären.
Und dann ist auf einmal von Kaution die Rede, die der Offenbacher Staatsanwalt angesichts der Schwere des Falls verlange. Hannelore W. hat einige Tausend Euro an Bargeld und Schmuck zu Hause.
Masche bei Schockanruf: Opfer aus Obertshausen wird unter psychischen Druck gesetzt
Die Täterin hält den psychischen Druck auf die Seniorin mit einer Mischung aus Freundlichkeit und unverhohlenen Drohungen permanent aufrecht, warnt sie immer wieder, das Handy nicht aufzulegen, während sie angeblich weitere Details mit der Staatsanwaltschaft Offenbach zu klären habe.
Und am Ende bringt die Betrügerin die Seniorin tatsächlich dazu, Geld und Schmuck in eine Kassette zu legen, sich damit ins Auto zu setzen und zum Amtsgericht Offenbach zu fahren. Und auch die ganze Fahrt über redet die Täterin unaufhörlich auf ihr Opfer ein, berichtet von einem nochmaligen Telefonat mit dem Staatsanwalt. Der werde „Herrn Arendt“ schicken, der die Kassette vor dem Amtsgericht in Empfang nehmen werde. Vor dem Justizgebäude muss Hannelore W. sogar noch einige Minuten in ihrem Wagen warten, auch in dieser Zeit redet die angebliche Oberkommissarin am Telefon weiter auf sie ein – bis schließlich ein unbekannter Mann an ihr Auto tritt, der sich als Arendt vorstellt und die Kassette samt Bargeld und Schmuck in Empfang nimmt.
Scham nach dem Schockanruf: Rentnerin aus Obertshausen will aufklären
Erst auf dem Weg zurück nach Obertshausen, als das Telefonat mit der vermeintlichen Oberkommissarin plötzlich abbricht, schwant der Seniorin Böses. Sie ruft ihren Sohn an und bittet ihn, sofort die Tochter anzurufen. Diese meldet sich kurze Zeit später – und Hannelore W. wird schmerzlich bewusst, was ihr widerfahren ist.
„Es geht mir nicht ums Geld, aber an dem Schmuck hängen viele Erinnerungen an meinen unlängst verstorbenen Mann. Und noch schlimmer ist, dass die Täter mir mein Selbstwertgefühl genommen haben. Ich schäme mich unglaublich dafür, dass ausgerechnet mir das passiert ist,“ sagt die 79-Jährige. (Dirk Iding)