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Schriftsteller Rafik Schami zu Gast im Bürgerhaus Hausen

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Berühmter Erzähler: Die Werke von Rafik Schami wurden bereits in 33 Sprachen übersetzt.
Berühmter Erzähler: Die Werke von Rafik Schami wurden bereits in 33 Sprachen übersetzt. © M

Rafik Schami wollte eigentlich Zauberer werden. So ein Geschichten-Erzähler, wie sie in seiner syrischen Heimat an der Straße und in Parks sitzen und ihre Zuhörer verzaubern. Jetzt ist Rafik Schami Chemiker, Schriftsteller und Deutscher mit Sternzeichen Regenbogen. Wie man dazu kommt, erläuterte der prominente Autor aus der Pfalz am Donnerstagabend im Bürgerhaus.

Obertshausen - Genau genommen ist Rafik Schami auch nicht Rafik Schami. Er wurde als Suheil Fadel im christlichen Viertel von Damaskus geboren, aber ob nun am 10. Juni, wie der Onkel erklärt, am 14. März, wie seine Tante behauptet, am 17. April, wie sein Vater glaubt oder am 14. September, was seine Oma zu wissen meint, das interessiert doch, mal ganz ehrlich, nur einen echten Deutschen. „Sie werden im Bahnhof oder in der Metzgerei geboren“, mutmaßt der Mann aus dem Orient, weil bei einer Geburt neben der exakten Zeit auch noch das genaue Gewicht festgehalten werde.

Der Gast wandelt auf der großen, weiten Bühne hin und her, manchmal wild gestikulierend, wenn die Rede auf Putin und die Ukraine kommt. Für den Kriegstreiber aus Moskau hat der sonst heitere und besonnene Erzähler nur Verachtung übrig. Im Rampenlicht steht auch ein Tisch mit einer Flasche Mineralwasser und zwei Gläsern, derer er sich bedient. Eines seiner mehr als 60 Bücher nimmt er jedoch nicht in die Hand.

Schami ist eben ein Erzähler und kein Vorleser. Und er sucht den Kontakt mit dem Publikum, lädt es immer wieder ein, ihm Fragen zu den Werken zu stellen, aus denen er zitiert. Vor sieben Jahren hat er als Herausgeber einige Kolleginnen und Kollegen gebeten, Kurzgeschichten zu verfassen. Erst zum Thema Reisen, dann über die Beziehung zu Tieren, zu Geheimnissen und übers Lachen.

Das Projekt mit sechs Büchern läuft nicht. Darum beackert Schami die „psychologisch-philosophischen Themen“ selbst, stellt eigene Geschichten mit selbst Erlebtem und Ausgedachtem zusammen – und applaudiert den Buchhandlungen, die bei seinen Auftritten lange ausharren, um seine Bände zu verkaufen. Jetzt gehen sie wie geschnitten Brot, und zu bislang 2700 Lesungen ist der Schreiber umgerechnet zehnmal um die Erde gereist.

„Die Reisen des Herrn Moritz“ beschreibt den Umzug von Köln in das beschauliche Dorf, in dem Schami mit seiner Frau lebt. Moritz lebt sehr einsam, und als seine Frau stirbt, wandert er durch die Pfalz. Durch einen älteren Afrikaner taucht er in einem Asylheim ein in ganz verschiedene Kulturen, unternimmt so eine „Weltreise“ über Nigeria, Persien, Thailand und Syrien.

In einem Stück geht es um einen Diktator, der einen Bürger wegen einem Witz verhaften lässt. Und ein freiheitsliebender Mensch liebt nun einmal Witze: „Ein Plakat mit dem gekreuzigten Christus kostet in Damaskus 50 Dinar, eines, das den Präsidenten zeigt, ist für fünf zu haben. Der Verkäufer wolle das Konterfei des Machthabers auch für 50 Dinar verkaufen - wenn er sich auch kreuzigen lässt!“

Schami, Schüler einer katholischen Schule, plaudert von der Beichte an jedem Samstag: „Knien und Schweinereien erzählen“, nennt er die Tortur. „Wir haben dauernd Äpfel geklaut dafür mussten wir Vater unser und Gegrüßest seist du Maria beten, der Preis ist gut!“

„In Syrien hast du 15 Geheimdienste am Hals, aber deine 35 Tanten und Onkel kontrollieren noch mehr“, weiß er, seitdem die Umarmung einer Klassenkameradin beobachtet worden ist. 1970 kehrt der Student Syrien den Rücken. Mit schlechten Erinnerungen an seinen Französisch-Lehrer im Gepäck entschließt er sich, nach Deutschland zu gehen. Göttingen liege zu nah an der Zonengrenze, also der Gefahr, schon wieder bespitzelt zu werden. Darum setzt er in Heidelberg sein Chemie-Studium fort und promoviert.

Er will Lehrer werden, aber auch schreiben. Doch, „zwei Melonen in einer Hand, das geht nicht“, sieht er ein. Und beobachtet weiter die bunte Welt um ihn herum, im „Sternzeichen Regenbogen“. (Von Michael Prochnow)

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