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„Mail-Adresse geht keinen etwas an“ - Rentner fühlt sich durch Digitalisierung ausgeschlossen

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Von: Theresa Ricke

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Smartphone oder nicht, ist für Peter Friedrich keine Frage. Andere Menschen entscheiden sich im Rentenalter hingegen für das Gerät. Symbolbild
Smartphone oder nicht, ist für Peter Friedrich keine Frage. Andere Menschen entscheiden sich im Rentenalter hingegen für das Gerät. Symbolbild © DPA

Weil Peter Friedrich kein Smartphone hat, fühlt er sich durch Digitalisierung ausgeschlossen. Auch seine E-Mail-Adresse will er niemandem verraten.

Obertshausen - Peter Friedrich hat einen Kumpel, mit dem er in einer Frage nicht zusammenkommt. Friedrich weigert sich, ein Smartphone zu benutzen. Er macht kein Online-Banking, sein Prepaid-Handy liegt immer zu Hause und eine E-Mail-Adresse hat er nur, um ein Kleinanzeigenportal online nutzen zu können. Für Friedrichs Bekannten ist das völlig unverständlich: Er fliege mit seinem Smartphone um die Welt und könne nicht mehr ohne. „Ich muss mit der Zeit gehen, sagt er mir“, erinnert sich Friedrich nur zu gut an die letzte Diskussion. Das habe er jetzt aufgegeben. Für den Rentner ist klar, dass er diese Dinge nicht will. Für seinen Freund bleibt das völlig unverständlich.

„Ich bin ein Exot“, sagt Friedrich über sich selbst. Er erlebe es, dass Menschen mit 90 Jahren noch lernen, mit den neuen Technologien umzugehen. Doch daran hat er schlicht und ergreifend kein Interesse. „Das Karten-Handy habe ich seit einem Skiurlaub. Meine damalige Partnerin hat gesagt, dass ich ein Handy mitnehmen soll, sonst sei sie weg.“ Seitdem hat er das Mobiltelefon, nutzt es aber nur zuhause, wenn er selbst eine Mobilnummer anrufen möchte. „Auch wenn ich in den Wald gehe zum Pilzesammeln, nehme ich es nie mit.“ Er bleibt lieber unerreichbar.

Rentner lebt ohne Internet - Probleme bekommt er, als er den Energieversorger wechseln will

Doch Friedrich bemerkt auch Nachteile durch seine technologische Enthaltsamkeit. Monatelang habe er versucht, bei einem Energieversorger einen Stromvertrag abzuschließen. „Manche Tarife können nicht abgeschlossen werden, wenn man keine E-Mail-Adresse angibt“, berichtet Friedrich von seinen Erfahrungen. Immer wieder habe er sich in einer Hotline wiedergefunden, bei der ihn eine Computerstimme darauf hinweist, dass er sein Anliegen auch auf elektronisch-schriftliche Art vorbringen könnte. Damit würde er sich sparen, jedes Mal aufs Neue seine Situation einem anderen Mitarbeiter schildern zu müssen. Doch um den zeitlichen Aufwand gehe es ihm nicht: „Ich bin Rentner, die Zeit nehme ich mir. Meine Mail-Adresse geht keinen etwas an.“ Schließlich habe er einen Vertrag gefunden und wartet nun täglich auf Post.

Man wird hingestellt als sei man nicht mehr solvent oder vertrauenswürdig ohne E-Mail-Adresse oder Kreditkartennummer.

Peter Friedrich, Rentner

Es ist aber nicht nur dieses Thema, das Friedrich an der fortschreitenden Digitalisierung „massiv stört“. Egal ob beim Termin für einen neuen Führerschein, bei der Buchung eines Hotels oder der Bestellung des neuen Deutschlandtickets: Überall müsse online eine E-Mail oder eine IBAN angegeben werden. „Das schließt Menschen, die das nicht haben, aus.“ Er könne im Notfall seinen Sohn um Hilfe fragen, doch andere Senioren seien allein. Außerdem bedauere er, dass der persönliche Kontakt immer mehr reduziert werde. „An einer Baumarktkasse habe ich alles liegengelassen, als ich an eine Selbstbedienerkasse sollte. Ich wollte es nicht mehr.“ Die Maschinen würden für weniger Arbeitsplätze sorgen. Er habe in seinem Leben noch nie einen Geldautomaten benutzt und lieber vier Mal die Bank gewechselt, damit er wieder sein Geld am Schalter holen kann. Da dies aber immer schwieriger werde, fühlt er sich ausgeschlossen: „Man wird hingestellt, als sei man nicht mehr solvent oder vertrauenswürdig ohne E-Mail-Adresse oder Kreditkartennummer.“ Dabei könne man per Mail doch genauso leicht betrügen wie am Telefon. (Theresa Ricke)

Heusenstamm im Kreis Offenbach ist auf dem Weg zu einer „Smart City“ zu werden. Die Verwaltung arbeitet derzeit an einem Konzept für effiziente Digitalisierung.

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