Knapp 100 Menschen laufen bei „Montagsspaziergang“ mit

18 Uhr am Rathaus in Hausen: Gut 100 Menschen setzen sich Richtung Rathaus an der Beethovenstraße in Bewegung. Sie versammeln sich dort zu den sogenannten Montagsspaziergängen. Die Gruppe in Obertshausen ist bunt durchmischt: Von jung bis alt, von Frauen mit Kopftuch bis Familie mit Hund gehen dort unterschiedliche Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren. Wir waren dabei und haben einige Teilnehmer nach ihren Beweggründen gefragt.
Obertshausen – Einige Obertshausener hatten dieser Tage einen Zettel mit dem Aufruf „Obertshausen und Heusenstamm gehen spazieren“ im Briefkasten. Laut Flugblatt, das auch einen Link zu einer Telegram-Gruppe beinhaltet, wolle man für eine freie Impfentscheidung und „für die Wiederherstellung der Grundrechte“ auf die Straße gehen.
In Gesprächen mit einigen Teilnehmern scheint sich dieses Bild auch zu bestätigen. Ein Mann, zwischen 50 und 60 Jahre alt, sagt, er wolle mit dem Spaziergang für Menschenrechte demonstrieren, die er zusehends bedroht sehe. Bestätigung in seiner Annahme zieht er aus der Drohung mit „Waffengewalt“ des Ostfilderner Bürgermeisters Christof Bolay (SPD). Dieser hatte mit einer Allgemeinverfügung unangemeldete Demos verboten. Bolay vermutete, dass er bewusst missverstanden werde. Letztlich sei es ein standardmäßiger Hinweis auf die gültige Gesetzeslage, argumentierte er. Im weiteren Gesprächsverlauf mit dem „Spaziergänger“ kommt ebenfalls die Angst vor Impfstoffen zu Wort. Angesprochen auf Verschwörungsideologen und Rechtsradikale sagt der Mann: „Hier sind jedenfalls keine dabei, die Menschen kritisieren lediglich die Maßnahmen, hier leugnet auch keiner Corona.“
Ein Paar mittleren Alters sagt, dass sie mitlaufen, weil sie keine weitere Spaltung in der Gesellschaft wollen. „Es wird ja im Umfeld gar nicht mehr gefragt, ob es einem gut geht, sondern nur noch, ob man geimpft ist oder nicht“, sagt die Frau. Der Mann betont, dass sie auch gegen eine Impfpflicht seien, da die Corona-Vakzine nicht vor einer Ansteckung schützen würden. „Bei den Masern ergibt das ja Sinn, weil man den Erreger so auslöschen kann, aber eben nicht bei den Corona-Impfstoffen“, behauptet der Mann. Das Paar äußert zudem Bedenken bezüglich möglicher Kollateralschäden bei Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Maßnahmen.
Auf dem Weg zum Obertshausener Rathaus gibt es auch immer wieder Reaktionen von Passanten und Autofahrern. Einige Hupen den „Spaziergängern“ zu, teilen so ihre Unterstützung mit. Ein Passant ruft den Demonstranten entgegen: „Schwurbler! Alles nur Schwurbler!“ Die Polizisten, die mit mehreren Streifenwagen den Demozug von Anfang an begleiten, weisen einmal darauf hin, mehr Abstand zu halten. Maske trägt allerdings keiner der „Spaziergänger“. Untereinander erzählen sich einige Teilnehmer immer wieder Anekdoten, teilweise auch von Bekannten, die ihre Sicht auf die Dinge bekräftigen sollen. So spricht eine Teilnehmerin von einer ihr bekannten Krankenschwester, die immer mehr angebliche Impfnebenwirkungen auf ihrer Station behandeln müsse.
Nach gut einer Stunde kommen die Demonstranten am Rathaus Beethovenstraße an. An der Treppe legen sie Blumen und Grabkerzen nieder. Auf einer Karte steht: „In Gedenken an die Opfer von Kusel“. Gemeint sind die beiden Polizisten, die in der Nacht zu Montag in Rheinland-Pfalz bei einer Kontrolle erschossen wurden. Zum Schluss ruft ein Teilnehmer alle anderen dann noch auf, gemeinsam zu Summen, da dies „viel Energie“ freisetze. Einige „Spaziergänger“ sind von der spirituellen Einlage allerdings nicht begeistert und wenden sich ab. (Lukas Reus)