Vorwurf der Vergewaltigung: Überraschendes Urteil
Obertshausen - Vor dem Schöffengericht in Offenbach ging die Verhandlung im Fall des 47-Jährigen weiter, dem die Anklage vorwirft, am 6. Juli 2014 eine damals 17-Jährige vergewaltigt und genötigt zu haben (wir berichteten). Von Stefan Mangold
Die Vergewaltigung betreffend, plädiert auch der Staatsanwalt auf Freispruch. Der Prozess endet überraschend: Richter Manfred Beck und die Schöffen verhängen drei Jahre Gefängnis. Die Ladung eines kurzfristig aufgetauchten Zeugen erweist sich für den Angeklagten eher als Eigentor. „Aus dem Hut gezaubert“, wird die Nebenklagevertreterin Michaela Roth später in ihrem Plädoyer formulieren.
Am ersten Verhandlungstag hatte die 20-jährige Nebenklägerin ausgesagt, der Angeklagte habe sie im Auto vergewaltigt. Zeugen hatten erklärt, sie nach der vermeintlichen Tat am Straßenrand angetroffen zu haben. Der Angeklagte habe sie fest gehalten. Die Nebenklägerin hatte sich vor Gericht aggressiv und nur bedingt kooperativ verhalten.
Der neue Zeuge erklärt, sie habe damals mit ihrem Freund bei ihm gewohnt. Der 22-Jährige zeichnet von ihr das Bild einer Frau, die sich in Aussicht auf Geld und Drogen in der Auswahl ihrer Sexualpartner nicht wählerisch gezeigt haben soll. Zu diesen habe auch er gehört, ohne das Wissen ihres Freundes.
Er habe dem Angeklagten, damals in derselben Pizzeria wie er angestellt, gesagt, „gegen einen Joint oder ein bisschen Geld geht die mit jedem ins Bett“. Nach den damaligen Ereignissen habe ihm die Nebenklägerin gesagt, der Sex sei einvernehmlich gewesen. Um das vor ihrem Freund zu verheimlichen, habe sie das Gegenteil behauptet. Außerdem legt der Zeuge noch einen Whatsapp-Dialog mit der Geschädigten von 2016 vor, in dem von einem „Freier“ die Rede ist, der gleich erscheine.
Den Antrag von Verteidiger Friedrich Koch auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten zur Persönlichkeit der wegen Raubdelikten vorbestraften Nebenklägerin, weißt Richter Beck zurück. Es obliege dem Gericht, die Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Ebenso ergeht es dem Antrag des Staatsanwalts, der den damaligen Freund der Nebenklägerin noch befragen will. Beck: „Der wird nur das sagen können, was ihm die Freundin erzählt hatte.“
Der Staatsanwalt plädiert auf Freispruch für den Vorwurf der Vergewaltigung, „es lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, was wirklich passierte“. Wegen Nötigung fordert er 30 Tagessätze á 30 Euro. Zeugen hatten ausgesagt, die Geschädigte im Schwitzkasten des Angeklagten angetroffen zu haben. Nebenklagevertreterin Michaela Roth beantragt einen Täter-Opfer-Ausgleich und eine Freiheitsstrafe, „die lege ich ins Ermessen des Gerichts“. Die Geschädigte habe nie gelernt, einem Menschen zu vertrauen. Vor Gericht habe sie sich wie ein Tier verhalten, das sich umzingelt fühlt, „das schaltet auf Angriff“.
Am Wahrheitsgehalt ihrer Schilderung bestehe kein Zweifel. Die Art, wie sie demonstrierte, die Beine in Abwehr an die Scheibe gedrückt zu haben, habe authentisch gewirkt. Der Angeklagte habe auf leicht zu bekommenden Sex spekuliert. Egal, wie promiskuitiv eine Frau lebe, „sagt sie nein, dann heißt das nein“. Dem stimmt auch Verteidiger Koch zu. Er stellt aber die Glaubwürdigkeit der Zeugin infrage, der ein Gericht bescheinigt habe, „von einem problematischen moralischen Wertesystem geleitet zu sein“. Ihr Verhalten habe gezeigt, „sie ist kein Hascherl, das sich nicht wehren könnte“.
Richter Beck wertet den Auftritt des neuen Zeugen eindeutig: „Das war gelogen, um einem Kumpel aus der Patsche zu ziehen.“ Wenn ihm die Nebenklägerin tatsächlich 2014 gesagt hätte, es sei keine Vergewaltigung gewesen, „dann hätte er das sofort gemeldet, nicht erst heute“.
Die jetzigen Aussagen der Geschädigten hätten sich mit denen bei einer Vernehmung vor zwei Jahren gedeckt. Der Angeklagte hingegen habe damals erst Sex geleugnet, später versucht, unbemerkt sein Geschlecht zu reinigen. Verteidigung und Staatsanwalt werden gegen die Freiheitsstrafe von drei Jahren Revision einlegen.
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