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„Alles hat mir etwas bedeutet“

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Von: Bernhard Pelka

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Bürgermeister Jürgen Hoffmann wird am 8. Juni offiziell verabschiedet.
Bürgermeister Jürgen Hoffmann wird am 8. Juni offiziell verabschiedet. © Pelka

Der Rodgauer Bürgermeister Jürgen Hoffmann steht kurz vor dem Abschied aus dem Rathaus

Rodgau – Nach zwölf Jahren als Bürgermeister endet die Amtszeit von Jürgen Hoffmann in wenigen Tagen. Die offizielle Verabschiedung ist dann am 8. Juni im Bürgerhaus Dudenhofen. Wir sprachen mit dem verdienten Rathaus-Chef.

Welche Reaktionen gab es privat, im Freundeskreis, in der Partei, Vereinen - letztlich in der Stadtgemeinde, als klar war, dass Sie nicht mehr antreten?

Es gab auf der einen Seite Verständnis nach dem Motto: Zwölf Jahre sind genug. Es kam aber auch die Frage auf, warum ich es nicht noch einmal angehen möchte. Letztlich sprach aus vielen Reaktionen Wertschätzung. Das hat mich schon sehr gefreut.

Hat Sie unter den Reaktionen eine besonders überrascht?

Ja. Es gab das Schreiben eines Vereinsvorsitzenden, der mich in den Kontext der Geschichte der Stadt und verschiedener Persönlichkeiten gestellt hat. Die Art und Weise, wie das geschehen ist, hat mich berührt, beeindruckt und sehr gefreut. Das Schreiben hebe ich mir gut auf.

Als Sie Ihre Entscheidung getroffen hatten – waren Sie erleichtert? Und wie sieht es jetzt aus?

Die Entscheidung fiel ja schon vor Corona. Meine Gefühle gingen dann rauf und runter. Trotzdem herrschte zunächst einmal Erleichterung. Dann kam allerdings die Erkenntnis, dass Loslassen schwerer fällt als Hingreifen. Inzwischen muss ich aber sagen: Jetzt ist Erleichterung darüber, den Abschluss vor sich zu haben, das dominierende Gefühl.

Waren die zwei Amtszeiten Ihre beruflich besten Jahre?

Ich hatte das Glück, dass mich jede Tätigkeit in meinen nun fast 45 Berufsjahren immer weitergebracht und reifer gemacht hat für die nächste Aufgabe, um diese dann noch besser ausfüllen zu können. Meine letzte berufliche Station war trotzdem Etwas Besonderes, denn aus allem, was ich dabei tun durfte, habe ich immer etwas gezogen. Alles hat mir etwas bedeutet und mich berührt.

Was haben Sie in diesen Jahren an Ihrer Aufgabe besonders geschätzt, was war eher belastend?

Besonders schön war es, etwas für die Entwicklung dieser Stadt tun zu dürfen und dafür Menschen in einem gemeinsamen Prozess begeistern und Kompromisse finden zu können. Klar gab es immer Teilgruppen, die man nicht mitnehmen konnte.

Aus den Akzenten, die Sie und Ihre Mannschaft gesetzt haben, sticht aus meiner Sicht besonders der extreme Ausbau der Bürgerbeteiligung, besonders an der Stadtgestaltung, hervor. Sind Sie zufrieden, wie diese Beteiligungsprozesse gelaufen sind oder sind Sie desillusioniert?

Alle mitzunehmen hat nie funktioniert und wird nie funktionieren. Davon bin ich immer ausgegangen. Deshalb bin ich jetzt auch nicht desillusioniert. Alle Menschen sind verschieden und haben verschiedene Meinungen - selbst wenn es nur um den Ort geht, an dem eine Sitzbank aufgestellt werden soll. So ist das Leben nun mal. Schlimm wird es allerdings dann, wenn von außen Einwürfe von Leuten kommen, die sich zwar nicht an dem Meinungsbildungsgeschehen beteiligen, trotzdem aber glauben, alles besser zu wissen. Meist gibt es aus dieser Ecke dann auch absolut kein Verständnis für andere Meinungen. Und das kann’s nicht sein. Ein Kompromiss ist doch immer dann gut, wenn alle ein bisschen unzufrieden sind. Aber mit Unzufriedenheit können viele leider einfach nicht umgehen.

Man hört, dass Sie bis zum letzten Arbeitstag Vollgas geben. Ist es nicht unbefriedigend, dass dann zwangsläufig Angefangenes liegen bleiben muss, wenn man bis zuletzt immer neue Projekte anstößt?

Mein Denken war nie an Wahlperioden geknüpft. Die strategische Ausrichtung einer Stadt kann sich nicht an der Amtszeit eines Bürgermeisters orientieren, sondern es muss weit darüber hinausgedacht werden. Insofern ist klar, dass nicht alles zu Ende gebracht werden kann. Es gibt also keinen Grund, Frust zu schieben.

Trotzdem: Welches Projekt hätten Sie gerne noch zu Ende geführt, weil es Ihnen besonders am Herzen liegt?

Die Eröffnung des Medzentrums in Dudenhofen und der erste Bauabschnitt von Rodgau-West. Das in meiner Amtszeit noch zu erleben, wäre schön gewesen. Das klappt nun nicht, aber es läuft und wird gut werden. Das ist die Hauptsache.

Welches Projekt hätte besser laufen müssen?

Ganz klar die Ansiedlung von Ärzten. Das hätte ich mir erfolgreicher gewünscht. Zum Beispiel mit der Ansiedlung eines Augenarztes und eines Kinderarztes. Wir haben als Stadt dafür sehr viel getan, aber es hat nicht ganz geklappt. Das liegt am Ärztemangel und daran, dass es sehr schwer ist, junge Ärzte für die Selbstständigkeit zu begeistern. Da sehe ich mit dem Medzentrum jetzt aber gute Chancen, die medizinische Versorgung deutlich zu verbessern.

Wie sehr hadern Sie damit, dass nicht Ihr langjähriger Wegbegleiter, der Erste Stadtrat Michael Schüßler, Ihr Nachfolger wird?

Das war eine demokratische Entscheidung - und damit hadert man nicht. Natürlich habe ich mich für Michael Schüßler eingesetzt, weil ich überzeugt bin, dass er der Richtige ist. Der Respekt vor den Wählerinnen und Wählern verlangt es jetzt, damit konstruktiv umzugehen, denn es geht nicht um mich oder Michael Schüßler, sondern es geht um die Stadt.

Wem möchten Sie für die berufliche Begleitung in all den Jahren besonders danken?

Wow. Wahnsinnig vielen Menschen, die ich hier nicht alle aufzählen kann. Zunächst aber einmal meiner Familie. Dann Michael Schüßler, mit dem ich gemeinsam so viel bewegen durfte. Dafür bin ich dankbar - wie ich auch den Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung dankbar bin, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Das gilt auch für die Kooperation und darin meiner Partei, der SPD, die immer zu mir gestanden haben. Es sind insgesamt alle demokratischen Kräfte in der Stadt, die mich teils kritisch, aber konstruktiv und fair begleitet haben, denen ich gerne Dank sage. Nicht zu vergessen die vielen Vereine und Unternehmer, die den Weg mitgegangen sind, die Religionsgemeinschaften und Stiftungen - also sehr viele, die am Leben in der Stadt teilhaben und mich dabei mitgenommen haben. Nicht zuletzt danke ich der Presse für die faire Berichterstattung.

Während Corona war die Stadtgemeinde zeitweise zwangsläufig gelähmt. Ist dabei Vieles auf der Strecke geblieben?

Es war für uns alle eine sehr schwere Zeit. Und Vorsicht ist immer noch angebracht. Aber insgesamt haben wir es sehr gut geschafft, mit den neuen digitalen Möglichkeiten Kontakte zu halten und Projekte voranzubringen. Es ist der Wille, der Menschen zusammenbringt. Und der ist noch vorhanden. Deshalb bin ich zuversichtlich.

Was wünschen Sie sich, an das sich die Rodgauer erinnern, wenn sie an ihren Bürgermeister Jürgen Hoffmann zurückdenken?

Da wäre ich schon zufrieden, wenn die Menschen im Rückblick wahrnehmen, dass wir alle in unserer heutigen Zeit mit unseren Entscheidungen die richtigen Wege eingeschlagen haben und es ihnen damit gut geht.

Was kommt nach dem Amtsende?

Ich bin kein Mensch, der im Privaten lange vorausplant, im Strategisch-Politischen schon, aber nicht privat. Pläne sind für mich eher dazu da, um über den Haufen geschmissen zu werden. Ich freue mich auf das, was kommt und werde wissen, wie ich damit umgehe. Natürlich freue ich mich auf mehr Zeit mit meiner Familie.

Das Gespräch führte

Bernhard Pelka

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