Auftrittslose Zeit ganz gut überstanden

Jügesheim – 20 Jahre sind für einen Schulchor ein stolzes Alter. An der Georg-Büchner-Schule hat die singende Gemeinschaft diese Spanne in wechselnder Besetzung erreicht. Wir sprachen über den beachtlichen Geburtstag mit Gründer und Dirigent René Frank.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit einem Schulchor?
Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in einem Chor ist eine hohe Motivation zu spüren. Kinder möchten sich präsentieren, auf der Bühne stehen und haben nicht so viele Hemmungen, wie später Erwachsene.
Welche Hemmungen?
Na ja, es finden sich schneller Kinder, die bereit sind, solistisch vor Publikum zu singen. Auch kleine Showelemente und Bewegungen beim Singen und dem Auftritt lassen sich mit ihnen leicht einbauen und und einstudieren. Zum Beispiel das synchrone Schwenken von Handytaschenlampen oder das Werfen von Sternenstaub oder Kunstschnee bei geeigneten Liedern.
Und was ist eine Herausforderung dabei?
Das mehrstimmige Singen, da sich Kinder schnell von anderen Stimmen ablenken lassen und es ihnen dann schwerfällt, ihre Melodie gegen die andere Melodie zu halten. Zu dieser Problematik hatte ich gleich in den ersten Jahren meiner Chorarbeit an der Georg-Büchner-Schule ein Projekt im Schulchor durchgeführt, dessen Ergebnisse dann in einem Buch veröffentlicht wurden.
Wachsen die Jahrgänge im Chor mit und bleiben bei der Stange?
In der Regel ist es bei den meisten Kindern so, dass sie in der 5. oder 6. Klasse anfangen im Chor zu singen. Sie bleiben diesem dann auch bis zum Abgang von der Schule nach der 10. Klasse treu.
Ist der Stundenplan ein Hindernis?
Durch Änderungen im Stundenplan gibt es immer mal wieder das Problem, dass nicht alle Interessierten in jedem Schuljahr am Chor teilnehmen können, weil sie nachmittags Unterricht, Förderkurse oder Sportkurse haben. Es passiert dann aber, dass diese Schüler wieder die Chorproben besuchen, sobald es mit ihrem Stundenplan vereinbar ist.
Und die Fluktuation?
Die ist in einem Schulchor viel größer als in Erwachsenen-Chören, da die Schülerinnen und Schüler ja nur eine begrenzte Zeit an der Schule sind. Gerade bei den Sängerinnen und Sängern, die vier bis fünf Jahre im Schulchor gesungen haben und sich zu sogenannten Zugpferden entwickelt haben, tut es mir immer wieder leid, diese dann nach der 10. Klasse zu verabschieden. Dann man muss man wieder neue Schüler heranziehen.
Wie sieht die aktuelle Bilanz in dieser Frage aus?
Im letzten Schuljahr haben sieben Sängerinnen der 10. Klasse den Chor verlassen, die lange Jahre Teil der Gemeinschaft waren. Der Verlust war für die Gesangsqualität und das Miteinander problematisch. Somit ist der Start zu Beginn eines neuen Schuljahres immer etwas holprig, weil die Chor-Gruppe immer wieder neu zusammenwachsen muss. Und erst wenn man sich selbst als Schüler im Chor richtig wohlfühlt, getraut man sich auch, aus sich herauszugehen und lauter zu singen. Deshalb ist eine gute Chorgemeinschaft sehr wichtig.
Was ziehen die jungen Leute für sich selbst aus dem Gesang?
Ein Chor bietet die Möglichkeit Lieder, die Schülerinnen und Schüler aus dem Radio/Internet kennen oder die sie besonders mögen, auch mal selbst mit anderen zu singen und sogar vor Publikum zu präsentieren. Das macht ihnen sichtlich Spaß und der Motivationsfaktor ist sehr hoch. Auch stärkt das Singen vor Publikum das Selbstbewusstsein und die Kinder bekommen durch Applaus und persönliches Lob große Anerkennung für ihre Leistung – besonders wenn diese auch noch solistisch war wie bei einer Musicalaufführung, wenn Kinder eigene Rollen spielen und singen dürfen. Ein Vater bedankte sich mal bei mir dafür, dass seine Tochter durch das Singen im Chor und bei Auftritten unglaublich an Selbstbewusstsein gewonnen habe und nun problemlos vor Publikum Präsentationen halten könne, wofür sie vorher zu schüchtern war.
Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit dieser Altersklasse?
Als Lehrer für die Mittelstufe arbeite ich natürlich täglich mit der Altersstufe zwischen 10 und 16 Jahren. Der Unterschied zum normalen Unterricht ist bei einem Chor – so wie bei jeder AG – der Faktor der Freiwilligkeit und damit wiederum der erhöhten Motivation. Die Kinder wollen singen. Es schickt sie niemand da hin und es gibt auch keinen Notendruck. Insofern ist die Arbeit entspannter als im Regelunterricht. Oft sind Kinder, die eine musische Begabung haben, darüber hinaus kreativ und bringen somit auch selbst Ideen und Wünsche mit in den Chor ein. Sei es bei der Liedauswahl oder auch bei der Form der Präsentation (Kleidung / Outfit, Choreographie,)
Wie gut hat die Gruppe die Coronazeit überstanden?
Diese Zeit war in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich die schwierigste für Chorgesang im Allgemeinen. Dadurch, dass der Chor aber als schulische AG geführt wird, waren auch während Corona zwischen 16 bis 20 Kinder im Chor anwesend – soweit es überhaupt erlaubt war, zu proben. In anderen Chören, die ich leite, sank hingegen die Zahl der Teilnehmer von über 30 auf acht bis zwölf.
Was war das Problematischste?
Da einige Zeit beim Singen Masken getragen werden mussten und die Kinder auf vier Meter Abstand zueinander in der Schulaula verteilt saßen, war das Klangerlebnis wenig zufriedenstellend. Die Sängerinnen und Sänger haben sich gegenseitig kaum gehört, man sang durch die Maske sehr leise und war generell gehemmt, ob man sich beim Singen nicht vielleicht doch viel schneller anstecken könnte, als sonst im Alltag. Ein großes Motivationsproblem war, dass lange die Auftritte fehlten und damit auch Ziele, auf etwas hinzuarbeiten. Trotz allem blieben fast 20 Kinder dem Chor treu.
Das Gespräch führte
Bernhard Pelka
