Traditionsunternehmen macht nach 122 Jahren dicht

Der Chef geht in den Ruhestand und der Junior geht den eigenen Weg. Ende Juli 2022 soll Schluss sein bei Henkel & Geflitter-Holzbau aus Rodgau.
Jügesheim – Nach 122 Jahren stellt ein Traditionshandwerker den Geschäftsbetrieb ein. Die Firma Henkel & Geflitter-Holzbau (heute Jügesheim) in ihrer jetzigen Form ist Ende Juli Geschichte. Der Chef Roland Henkel (63) geht in den Ruhestand. Sohn Maximilian David, der schon lange im väterlichen Betrieb als Meister arbeitet, bietet – zunächst als Ein-Mann-Unternehmen – Dachdecker- und Spenglerservice an und firmiert um in „Dachdecker David“. Mitte September geht er an den Start.
Nikolaus Henkel hatte die Zimmerei um 1900 in Offenbach gegründet. Das genaue Datum kennt selbst in der Familie niemand mehr. 1911 wurde das Unternehmen nach Jügesheim (Rodgau)umgesiedelt. Das ist der amtlich verbriefte Geschäftsbeginn. Dem Gründer folgten Heinrich und Josef Henkel. Roland Henkel übernahm schon als 25-Jähriger den Meisterbetrieb in vierter Generation.
Traditionsunternehmen Henkel & Geflitter-Holzbau aus Rodgau: Nach über 100 Jahren ist Schluss
Fertigungshalle und Lager befanden sich viele Jahre in der Weiskircher Straße. 1993 siedelte die Zimmerei in die Justus-von-Liebig-Straße ins Gewerbegebiet um.
Ein Dachstuhl aus Henkel’scher Zimmerei thront auf Jügesheims Wahrzeichen, dem 1936 gebauten Wasserturm. Das Bild vom Richtfest in gut 40 Metern Höhe hängt immer noch im Büro. In jüngerer Zeit hat die Firma Henkel das Rodgau-Rathaus, das Haus Emmanuel und das Haus der Begegnung mit einem Dachstuhl versehen und das Gebälk der alten Ölmühle in der Hintergasse restauriert.
Roland Henkel hat seinen Ruhestand nach mehr als 46 Berufsjahren langfristig geplant. Das Grundstück in der Justus-von-Liebig-Straße ist bereits verkauft, es wird auch weiter gewerblich genutzt.
Fachkräftemangel und Verzögerung bei Lieferketten setzen auch dem Handwerk in Rodgau zu
In Spitzenzeiten beschäftigte die Firma Henkel 15 Leute, zuletzt noch knapp zehn. „Den meisten Mitarbeitern haben wir zu neuen Stellen verholfen“, sagt Roland Henkel. Gute Dachdecker und Zimmerleute sind gesucht, doch immer schwerer zu finden. „Keiner will mehr ins Handwerk“, beschreibt Henkel ein Problem, das viele Branchen betrifft. Im Speckgürtel rund um Frankfurt locken attraktivere Jobs.
Handwerk hat goldenen Boden, heißt es immer wieder. Der Bauboom im Rhein-Main-Gebiet beschert Handwerkern volle Auftragsbücher und volle Kassen. Letzteres ist für Roland Henkel blanke Theorie. Baumaterial, sofern überhaupt lieferbar, verteuert sich unkalkulierbar, und die Löhne steigen. Diese Kosten müssen den Kunden weitergegeben werden. Daher unterstützt er die Pläne seines Sohnes, lieber alleine in die Selbstständigkeit zu starten. (Michael Löw)
Um in der Region dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, wird unter anderem versucht, die junge Generation besser mit lokalen Unternehmen in Verbindung zu bringen. Eines dieser Projekte ist Job‘n‘Grill, bei dem Jugendliche und junge Menschen in einer lockeren Atmosphäre mit Unternehmen ins Gespräch kommen können.