Rekordverdächtiges Pensum bei der Kerb

Die Kerb is do. Zwar hört und singt man’s für gewöhnlich jedes Jahr, gleichwohl – das hat die Pandemie gezeigt – ist die größte und älteste Veranstaltung im Weiskircher Kalender kein Selbstläufer. Zwei Jahre Verzicht und Minimalismus haben das Publikum im Rodgauer Norden offenbar Wertschätzung gelehrt: Seit Freitagabend herrscht an allen Schauplätzen Hochbetrieb.
Weiskirchen – An Gedränge zum Auftakt ist man bei der Feuerwehr gewöhnt. Ob die Eröffnung vor dem Gerätehaus am Freitagabend diesmal noch mehr Menschen anlockte als zuletzt vor Corona, ist nicht verlässlich dokumentiert. Gefühlt hatten Vereinsvorsitzender Florian Pattersberger und seine Helfersmannschaft ein rekordverdächtiges Pensum zu bewältigen. Den Dienstplan mit knapp 40 Freiwilligen rund um Grills und Zapfhähnen auf die Beine zu stellen, sei nach der Pandemiepause nicht ganz einfach gewesen, gestand Pattersberger.
Gelaufen ist der launige Einstieg ins Fünf-Tage-Vergnügen indessen wie am Schnürchen und nach bewährtem Konzept: Mit Marschmusik und Stimmungshits vom Musikverein zu seinem Thron geleitet, erlebte der Kerbborsch unter anderem ein spektakuläres Schubkarrenrennen. In fünf Läufen zu je zweien über die Slalom-Strecke traten zehn ehrgeizige Karrenschieber an – nicht ganz so viele wie zuletzt 2019, genug indessen für einen spannenden Wettbewerb. Die früher übliche Konkurrenz zwischen den Feuerwehr-Standorten Nord, Mitte und Süd blieb diesmal aus. Dafür hatten die Brandschützer laut Pattersberger erstmals einen stadtweiten Einsatzplan für Ernstfälle aufgestellt, sollten solche – wie beim Feuerwehrfest im Juni – in den Festbetrieb platzen: Wer dann für wen einspringt, war stundenweise geregelt.

Einige Erfahrung hat der Weiskircher Kerbgänger mit der örtlichen Feier-Geografie. Den Kerbplatz mit Karussell und andern Fahrgeschäften hatten Schausteller wie gehabt vor der Kirche auf der gesperrten Hauptstraße aufgebaut. Wer dort am Samstag und Sonntag nach den beliebten halben Hähnchen der Rodgau Rangers suchte, musste freilich einige Meter weiterziehen: Erstmals nach rund drei Jahrzehnten servierten die Hobbykicker ihre Gickel nach Hermann-Jäger-Art am Alten Spritzenhaus. „Hier ist mehr Platz“, begründete Vorsitzender Thorsten Moser den Umzug, und mit Blick auf die kommenden Tage konzentriere sich das Geschehen an einem Ort. Begeistert zeigte sich Moser vom Einsatz seiner Mitstreiter: Alle 28 Vereinsmitglieder seien über zwei Tage eingespannt, viele davon in mehreren Schichten.
Zwischen dem aktuell genutzten Feuerwehrhaus an der Seligenstädter und dem historischen Spritzenhaus an der Bahnhofstraße zu unterscheiden, hat die Weiskircher Kerbgemeinde ohnehin längst gelernt. Auch die Gastgeber hier wie dort waren und sind alte Bekannte: Feuerwehr, Musikverein (MV) und Heimat- und Geschichtsverein (HGV) bilden den stabilen Kern der Gemeinschaft, die die immerhin seit 1437 begangene Kerb am ersten August-Wochenende nun auch durch die Pandemie gerettet hat.

Am heutigen Montag übernimmt der MV den Staffelstab von den Rangers und startet am späten Nachmittag am Spritzenhaus eine „Feierowend-Kerb“. Am morgigen Dienstag hat dort dann der HGV die Regie: Ab 18 Uhr wird zum Ausklang unter anderem süffiges Dunkelbier ausgeschenkt. Gegen 23 Uhr soll dann nach alter Sitte der Kerbborsch in Flammen aufgehen. (zrk)