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Buch-Schatz in neuen Händen

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Von: Ekkehard Wolf

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Viele kleine Lesezeichen stecken seit Jahrzehnten zwischen den Seiten des Sammelbandes. Was könnten sie bedeuten? Der neue Besitzer will das Rätsel lösen.
Viele kleine Lesezeichen stecken seit Jahrzehnten zwischen den Seiten des historischen Buchs aus dem Jahr 1744. Was könnten sie bedeuten? Der neue Besitzer will das Rätsel lösen. © Wolf

Bücher haben ihre Schicksale: Dieses lateinische Sprichwort hat sich jetzt in Rodgau bestätigt. Ein 1000-Seiten-Wälzer aus dem Jahr 1744 hat eine neue Heimat gefunden - nicht zuletzt dank der Offenbach-Post.

Rodgau - Angeregt durch die Kolumne „Bücherzelle“ in unserer Zeitung hat unsere Leserin Doris Jaiser einen Abnehmer für ein Buch aus dem Jahr 1744 gesucht – und gefunden. Die Predigtsammlung eines evangelisch-reformierten Pastors steht nun in der Privatbibliothek des Pfarrers i.R. Matthias Loesch in Neu-Isenburg. Der belesene Theologe freut sich auf die Lektüre: „Das Buch wird sich wohlfühlen, weil es in eine Familie anderer Bücher kommt.“

Autor der Kolumne „Bücherzelle“ ist Kulturdezernent Winno Sahm. Er kümmert sich ehrenamtlich um den öffentlichen Bücherschrank am Rathaus und stellt in unserer Zeitung einige Fundstücke vor.

Bei einer Mahnwache am Rathaus hatte Doris Jaiser ihn angesprochen: Sie habe da ein altes Buch und wolle es in gute Hände abgeben – ob er da vielleicht helfen könne? Eine halbe Stunde kam sie wieder. Am Fahrradlenker hing eine braune Papiertüte mit dem Buch von 1744.

Schon vor seiner Drucklegung hatte das Werk weite Wege hinter sich: verfasst in Den Haag, übersetzt in Mertschütz (Niederschlesien), gedruckt in Leipzig. Auch dieses Exemplar ist weit gereist. Es kam über Stuttgart nach Rodgau. Doris Jaiser: „Es war im Besitz meiner Mutter. Sie hatte es in den 70er- oder 80er- Jahren von einem Bekannten bekommen.“

Der Band versammelt 28 Predigten auf mehr als 1000 Seiten. Der Autor, Jacob Saurin, war ein berühmter Pastor in Den Haag. Der Titel einer Predigt wirkt beklemmend aktuell: „Von den unglücklichen Zeiten in Europa.“

Zahlreiche Lesezeichen zeugen davon, dass das Buch intensiv gelesen wurde. Die Zettelchen stammten von der Preisliste eines Seifenherstellers oder -händlers.

„Toll, dass Sie alle Merkzettel dringelassen haben“, sagt Matthias Loesch. Er freue sich darauf, herauszufinden, was die markierten Stellen gemeinsam haben.

Durch historische Predigtliteratur erfahre man viel über das soziale und kulturelle Leben der Zeit, sagt der pensionierte Pfarrer. Das erhoffe er sich auch von dieser Sammlung. Vielleicht seien 1744 schon erste Anzeichen der „Morgenröte der Aufklärung“ sichtbar.

Was er bei der Lektüre erfährt, will Loesch nicht für sich behalten. Im Herbst will er Doris Jaiser und Winno Sahm nach Neu-Isenburg einladen, um über seine Erkenntnisse zu berichten. Vielleicht wird er dann auch etwas über den Übersetzer herausgefunden haben, dessen Name ihm bisher nichts sagt: „In Niederschlesien gab es damals kaum reformierte Gemeinden. Das macht mich neugierig.“ (Ekkehard Wolf)

Voller Interesse blicken sie in die Predigtsammlung aus dem 18. Jahrhundert (von links): Kulturdezernent Winno Sahm, Doris Jaiser und Pfarrer i. R. Matthias Loesch.
Voller Interesse blicken sie in die Predigtsammlung aus dem 18. Jahrhundert (von links): Kulturdezernent Winno Sahm, Doris Jaiser und Pfarrer i. R. Matthias Loesch. © Wolf, Ekkehard

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