Bürgerhaus vor 60 Jahren eröffnet

Das Bürgerhaus Nieder- Roden hat Geburtstag: Vor genau 60 Jahren wurde es eingeweiht. Es war das erste Bürgerhaus im damaligen Landkreis Dieburg.
Nieder-Roden –„Ein neues vorbildliches Bürgerhaus errichtet“, überschrieb die Rodgau-Post den Bericht über die Eröffnung am 29. September 1962. Das Besondere an dem Bau: Er war nicht nur eine Mehrzweckhalle für Sport und Kultur. Der Gebäudekomplex vereinte viele Funktionen unter einem Dach: Gaststätte, Kindergarten, Bücherei, Versammlungsräume. Zur Ausstattung des Jahres 1962 gehörten auch öffentliche Wannen- und Brausebäder – in einer Zeit, in der ein eigenes Badezimmer noch Luxus war.
Die Gemeinde Nieder-Roden hatte damals knapp 4000 Einwohner. Dennoch konnte sie ihr größtes Bauvorhaben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ohne Kreditaufnahme finanzieren. Die Baukosten betrugen 1,65 Millionen Mark. Das Land Hessen steuerte 520 000 Mark bei.
Rodgau: Bürgerhaus-Bau vor 60 Jahren politisch umstritten
Das kostspielige Projekt in der Amtszeit des Bürgermeisters Johann Philipp Weyland war politisch umstritten. Der Bau wurde Ende 1960 in der Gemeindevertretung mit 8 : 7 Stimmen beschlossen. Die SPD war dafür, die CDU dagegen: Eine Mehrzweckhalle sei ausreichend, die übrigen Räume seien nicht notwendig – es gebe Wichtigeres.
Das Gesamtkonzept überzeugte auch höheren Orts. „Das Bürgerhaus in Nieder-Roden soll für alle hessischen Gemeinden mit einer Bevölkerungszahl von rund 5000 zu einem Vorbild werden“, berichtete die Rodgau-Post am 10. November 1961 nach dem Besuch zweier Baureferenten des Innenministeriums.
Jahrhundertregen setzt den Saalbau und viele Wohnhäuser unter Wasser
Als „bemerkenswert“ bezeichnete die lokale Presse damals, dass die Rodau in einem Rohr unter dem Gebäudekomplex hindurchgeführt wurde. Genau das erwies sich zwei Jahrzehnte später als Problem: Nach einem Jahrhundertregen im Sommer 1981 standen alle Räume unter Wasser, nachdem sich der Rodau-Durchlass mit Treibgut vollgesetzt hatte. Auch Wohnhäuser an der damaligen Hintergasse waren überschwemmt. „Der Schaden war immens“, erinnert sich Günther Keller vom Arbeitskreis für Heimatkunde.
Die fällige Sanierung war nicht die einzige große Baumaßnahme. In den Jahren 1989/1990 wurde das Bürgerhaus für 4,3 Millionen Mark umfassend modernisiert und umgebaut. Unter anderem erhielt das Foyer seine heutige Form mit dem gläsernen Pyramidendach.
„Als kleiner Junge habe ich im Bürgerhaus Fußball gespielt“, erinnert sich Erster Stadtrat Michael Schüßler. Das war Anfang der 80er-Jahre. Ein großer Teil des Schul- und Vereinssports wurde 1992 aus dem Bürgerhaus-Saal in die neue Zweifeldsporthalle ausgelagert.
Auch die Bürgerhausgaststätte ist schon lange Vergangenheit. Nachdem sich trotz jahrelanger Suche kein Pächter mehr fand, wurde der Gastraum abgetrennt und der Kindertagesstätte zugeschlagen. Er dient seither als Bewegungsraum. Übrig blieb eine Schanktheke für Getränke in den Theaterpausen.
Erst vor drei Jahren investierte die Stadt 900 000 Euro in eine Dachsanierung und eine neue Lüftungsanlage. Seither sind auch im Sommer Saalveranstaltungen ohne Hitzekollaps möglich.
Von der Meerschweinchenschau bis zur marokkanischen Hochzeit
Zurzeit nutzen zehn Vereine das Bürgerhaus für Übungsstunden. Im Saal finden neben Theatergastspielen, Konzerten und Vereinsfeiern auch viele weitere Veranstaltungen statt. Die Bandbreite reicht von der Meerschweinchenschau bis zur marokkanischen Hochzeit.
Viele bekannte Schauspieler waren im Bürgerhaus Nieder-Roden zu erleben, unter anderem Doris Kunstmann, Joachim Fuchsberger, Vera Tschechowa und Hans-Joachim Kulenkampff. Die städtische Kulturagentur entdeckt aber auch Talente: So trat der Komiker Bülent Ceylan in Rodgau auf, als er noch am Anfang seiner Karriere stand.
Die bisher größte Bühnenveranstaltung war das dreitägige Rockfestival „Rocken“ mit 100 Bands im August 2015. Die Besucherzahl blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Ein Renner beim Publikum war das Benefizkonzert der Bundeswehr-Bigband 2018.
Einmal im Jahr wird das Bürgerhaus zur Kunsthalle. Der Einzugsbereich der Kunstausstellung „Rodgau-Art“ reicht über das Rhein-Main-Gebiet hinaus.

