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Burg war größer als bisher gedacht

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Von: Ekkehard Wolf

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Mitglieder des Geschichts- und Kulturvereins Hainhausen am letzten Tag der Grabung: Das Grundwasser hat die Hölzer rund 850 Jahre lang konserviert. © Wolf

Hainhausen - Die mittelalterliche Burg in der Rodau-Niederung bei Hainhausen war offenbar größer als bisher bekannt. In der dritten Saison der archäologischen Ausgrabung wurde eine Steinmauer freigelegt, die auf ein zweites Gebäude schließen lässt. Von Ekkehard Wolf

Nach einem Bericht aus dem 19. Jahrhundert hatte man bisher angenommen, die Burg habe nur aus einem Wohnturm bestanden. Am letzten Tag der Grabung wird noch einmal die Kettensäge gebraucht. Roland Schlitt schneidet von zwei Holzbalken jeweils eine Scheibe ab. Die Proben sind für einen Spezialisten bestimmt, der aus der Abfolge der Jahresringe das Alter ermittelt. Das nennt man Dendrochronologie. Dieses Verfahren ist sehr genau, wenn der Stamm bis an die Rinde (Waldkante) erhalten ist. Der Fachmann aus Neu-Isenburg hatte bereits vor zwei Jahren einen Hainhäuser Eichenholzpfahl auf das Jahr 1158 datiert. Nun sind zwei weitere Balken zum Vorschein gekommen. Das Grundwasser hat sie Jahrhunderte lang frisch gehalten.

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Die Nässe ist auch der Grund, warum die Grabung jetzt endet. Obwohl die Grube höchstens zwei Meter tief ist, drückt das Wasser hinein. Wer weiter graben will, muss schöpfen. Das erschwert die Arbeit und vergrößert das Risiko, dass man etwas übersieht. Die Bodenschichten mit ihrer unterschiedlichen Färbung lassen sich trocken viel besser beurteilen. Auch im Sommer hatten die nassen Wiesen nahe der Burgstraße ihrem Ruf alle Ehre gemacht. Nach einer kurzen Trockenphase hieß es „Land unter“. Als der Geschichts- und Kulturverein Hainhausen (GKH) beim Bachgassenfest den Fortschritt der Grabung zeigen wollte, konnte man vor lauter Wasser wenig sehen.

Zweieinhalb Wochen lang wurde im Sommer gegraben, eine Woche im Herbst. Doch auch in dieser kurzen Zeit kamen die beiden Archäologinnen des Kreises Offenbach und ihre ehrenamtlichen Helfer zwei wesentliche Schritte voran. Erstens: Vor einem Querbalken, wahrscheinlich dem Schwellbalken eines frühen Fachwerkhauses, erstreckt sich ein stabiler Boden aus aneinandergelegtem Stammholz, „eine Plattform oder ein Bohlenweg, der vor dem Haus lag“, wie GKH-Vorsitzender Schlitt sagt. Zweitens: Neben der Ringmauer der Burg hat das Team noch eine weitere Mauer aus Bruchsteinen entdeckt. Sie ist an die Ringmauer nur angesetzt, aber nicht mit ihr verbunden. Sie dürfte also das Fundament eines Gebäudes im Inneren der Burg sein.

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Von diesem Steinfundament ist erst ein Teil erfasst. Die Archäologinnen können schließlich nicht einfach den Nachbargarten umgraben. Wie viel von dem Gebäude noch im Boden schlummert, bleibt also unklar. Die aktuellen Erkenntnisse korrigieren den Eindruck, der bei der Vertiefung des Mühlgrabens entstanden war. Eine alte Aufzeichnung von 1868 erwähnt das Fundament eines runden Wohnturms von elf Meter Durchmesser. Heute weiß man es besser. Der Zufallsfund vor knapp 150 Jahren spielte sich offenbar in dem eng begrenzten Bereich ab, wo die Gebäudemauer auf die Burgmauer stößt. Dort enthielt der Boden zahlreiche Kleinteile aus dem 18./19. Jahrhundert, unter anderem Knöpfe und einen Gardinenhaken mit Jugendstil-Verzierung.

Aber zurück zur Suche nach Spuren aus dem Mittelalter. „Wir müssen froh sein, dass hier außer Beweidung und Heuernte keine Landwirtschaft betrieben worden ist“, sagt Roland Schlitt. „Wenn hier schwere Pflüge verwendet worden wären, dann wäre das alles nicht mehr so gut erhalten.“ Selbst die Vertiefung des Mühlgrabens im 19. Jahrhundert hat sich weit weniger ausgewirkt, als man bisher befürchten musste. Man stieß damals zwar auf Mauern, ließ sie aber größtenteils unversehrt. Nur eine bis zwei Steinschichten fehlen.

Die beiden Archäologinnen des Kreises, Dagmar Kroemer und Gesine Weber, können sich auf eine ganze Gruppe an Ehrenamtlichen verlassen. Am letzten Tag sind noch zwei von ihnen vor Ort, die GKH-Vorstandsmitglieder Roland Schlitt und Klaus Kredel. Sie helfen beim Aufräumen und posieren mit Schaufel und Spaten fürs letzte Pressefoto. Sobald die letzten Fotos und Zeichnungen angefertigt sind, wird die Grabungsstelle zugeschüttet. Zuvor wird sie mit Vlies abgedeckt, um die Bodenfunde vor Schäden durch Pflanzenwurzeln zu schützen. Die Stoffschicht hinterlässt auch einen Hinweis an spätere Generationen. Falls Archäologen jemals wieder diese Stelle erforschen, zeigt ihnen das Vlies: Bis hierher wurde schon gegraben.

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Die einstige Burgmauer könnte durchaus sechs bis acht Meter hoch gewesen sein. Übrig ist nur noch der Sockel, knapp zwei Meter breit und einen bis 1,20 Meter hoch. Wenn der Erdaushub wieder auf der Fläche verteilt ist, wird man nichts mehr davon sehen. Einzelne Steine, die bei der Ausgrabung ans Tageslicht kamen, werden sicher gestellt und an einem geheimen Lagerplatz aufbewahrt. „Man weiß ja nie, wozu man sie einmal braucht“, sagt Roland Schlitt vom Geschichts- und Heimatverein. Er erinnert daran, dass die Steine der verlassenen Burg schon vor mehreren Jahrhunderten ein gefragtes Baumaterial waren: „Alte Hainhäuser Scheunen sind heute noch im Fundament aus solchen Steinen gemacht.“

Mit der dritten Ausgrabungs-Saison ist die archäologische Untersuchung der Hainhäuser Burg vorerst beendet. „Bis auf Weiteres ist das die letzte Grabung“, sagen die Verantwortlichen. Eine geoelektrische Untersuchung hatte zwar vor einigen Jahren auch einen Hinweis auf einen Damm ergeben, der sich durch die Wiese zieht, doch er erwies sich im Lauf der Grabung als eine einfache Sandaufschüttung. Archäologin Dagmar Kromer, die die Grabungen in Hainhausen leitete, muss nun die Ergebnisse aus fachlicher Sicht bewerten. Sie veröffentlicht ihre Berichte in der „Hessen-Archäologie“, dem Jahrbuch für Archäologie und Paläontologie in Hessen. Ihr erster Beitrag zur Hainhäuser Burg erschien im vergangenen Jahr, der zweite im neuen Band, der am 22. November beim hessischen Archäologietag in Erlensee vorgestellt wird. Der Abschlussbericht ist im Herbst 2015 zu erwarten.

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