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Nach 47 Jahren - Älteste Eisdiele in Rodgau schließt

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Von: Ekkehard Wolf

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Start- und Zielpunkt vieler Fahrradtouren: die Leuchtreklame an der Bleichstraße.
Start- und Zielpunkt vieler Fahrradtouren: die Leuchtreklame an der Bleichstraße. © Wolf

Nach 47 Jahren Eis-Genuss ist Schluss: Ingeborg Bayer gibt ihre beliebte Eisdiele in Rodgau bei Offenbach auf. Was sie am letzten Tag erlebt, rührt die Besitzerin.

Dudenhofen – Geduldig stehen die Kunden bis zur Straßenecke und darüber hinaus. Keine Wartezeit ist ihnen zu lang. Am Sonntag warteten manche in der Mittagshitze bis zu 45 Minuten auf eine Tüte Eis.

Wer noch einmal die kalte Süßspeise in bewährter Eis-Bayer-Qualität genießen möchte, hat am Mittwoch, 15. September, die letzte Gelegenheit. In Dudenhofen geht eine Ära zu Ende. Ingeborg Bayer gibt ihre Eisdiele nach 47 Jahren aus Altersgründen auf.

Älteste Eisdiele in Rodgau bei Offenbach: Riesige Fangemeinde über mehrere Generationen

Seit sich das herumgesprochen hat, reißt der Strom der Kunden nicht ab. Um genug Eis für alle herzustellen, hatte die Chefin in jüngster Zeit fast rund um die Uhr zu tun. Nachts stand sie bis mindestens 1 Uhr in ihrem Betrieb – und dann ging’s am frühen Morgen weiter.

Auch für den letzten Tag produziert sie alle Sorten frisch. Eine Eisverkäuferin reist eigens aus Bamberg an, um heute noch einmal hinter der Theke zu stehen.

Schweren Herzens gibt Ingeborg Bayer das Geschäft auf. Ihr Ehemann Richard, der im Frühjahr starb, hatte die Kunst der Eisherstellung in Italien erlernt. Jahrzehntelang belieferte er Eisdielen bundesweit mit Rohstoffen und Eiswaffeln. Ingeborg Bayer hatte als junge Frau ihre Eisdiele eröffnet, weil sie nicht nur Hausfrau und Mutter sein wollte. „Eigentlich wollte ich ja Hauswirtschaftslehrerin werden“, erzählt sie. Doch die Welt der kalten Köstlichkeiten hat sie nicht losgelassen.

Traditions-Eisdiele in Rodgau bei Offenbach schließt: Blumen, Karten und Mandelgebäck zum Abschied

Mit Qualität und Herzlichkeit hat sich Eis-Bayer eine riesige Fangemeinde erworben. Die Treue der Kunden reicht über Generationen hinweg: Viele Eltern, die heute mit ihrem Nachwuchs in die Eisdiele gehen, waren schon als Kinder dort.

Ingeborg Bayer hat Kunden erlebt, die fortgezogen sind, nach 20 Jahren wiederkamen, zwei Kugeln „Blue Bird“ im Hörnchen bestellten und überglücklich reagierten: „Es schmeckt noch genauso wie in unserer Kindheit.“

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„Danke für das Eis“ steht auf einer Zeichnung, die neben der Eistheke hängt. Seit Tagen und Wochen erlebt Ingeborg Bayer eine Welle der Dankesbekundungen und der guten Wünsche: „Mit dieser Resonanz und den 1000 lieben Kunden habe ich nicht gerechnet.“ Manche bringen ihr kleine Geschenke mit: Blumen, Karten, selbst gemachtes Mandelgebäck. Jedes Dankeschön ist auf seine Weise berührend. Ein Brief kam sogar aus der Schweiz – von einer ehemaligen Kundin, die vor gut 40 Jahren in Dudenhofen lebte.

Eisdiele in Rodgau: Mehr als 50 Sorten Eis im Repertoire

Was war ihr schönstes Erlebnis in den 47 Jahren? Ingeborg Bayer muss nicht lange überlegen: „Wenn die Kinder aus dem Kindergarten kamen. Sie konnten einem täglich Freude bereiten.“ Und das nicht nur in der Eisdiele, sondern auch bei zufälligen Begegnungen im Ort oder während eines Spaziergangs: „Egal, wo wir gewesen sind, immer hieß es: Hallo, Frau Eis-Bayer.“

Die kleine Eisdiele an der Bleichstraße ist eine Institution in Dudenhofen und weit darüber hinaus. Sie liegt zwar an einer Nebenstraße, aber an einer Stelle, an der sich zwei beliebte Fahrradrouten kreuzen. Die blaue Leuchtreklame mit dem stilisierten Eishörnchen war Start- und Zielpunkt unzähliger Radtouren.

Zum letzten Mal stellt Ingeborg Bayer die Tafel mit den Corona-Regeln vor ihrer Eisdiele auf.
Zum letzten Mal stellt Ingeborg Bayer die Tafel mit den Corona-Regeln vor ihrer Eisdiele auf. © Wolf

Das Sortiment änderte sich von Tag zu Tag. Aus einem Repertoire von mehr als 50 Eisrezepten produzierte der Familienbetrieb täglich etwa 30 Sorten Eis. Jedes Jahr kam etwas Neues dazu, zum Beispiel „American Cheesecake“ oder das Gewürzeis mit dem geheimnisvollen Namen „Zanzibar“.

Eisdiele in Rodgau bei Offenbach produzierte Eis nach italienischer Manier und ohne künstliche Zusätze

Seit 47 Jahren produziert Eis-Bayer nach traditionellen Methoden aus Italien und ohne künstliche Zusatzstoffe. Das bedeutet zwar mehr Arbeit, sorgt aber für eine Qualität, die man nicht mehr oft findet. Allerdings sind nicht alle Zutaten während der ganzen Saison erhältlich. Ein Beispiel: Zwetscheneis war immer nur ein paar Wochen lang im Sortiment – eben zur Zwetschenzeit.

Für besondere Anlässe wie Familienfeiern ließ Ingeborg Bayer ihre kreative Ader spielen. Sie türmte eisige Hochzeitstorten mit bis zu drei Stockwerken auf, rollte Schultüten aus Speiseeis oder fertigte die kleine Raupe Nimmersatt für einen Kindergeburtstag. Für einen Fußballfan baute sie einmal einen Fußball mit dem charakteristischen Seckseckmuster zusammen. Eine Schulklasse der Freiherr-vom-Stein-Schule überraschte sie mit einem Wikingerschiff.

Eisdiele Bayer in Rodgau: Ein Funken Hoffnung auf Nachfolger aus der Familie

Das alles ist ab morgen Vergangenheit. Manche Leute kaufen noch schnell einen kleinen Vorrat an „Bayer-Eis“ fürs Gefrierfach, um den Abschied noch ein paar Tage hinauszuschieben.

Ein Betriebsnachfolger außerhalb der Verwandtschaft kommt für Ingeborg Bayer nicht infrage. Dennoch bleibt die Einrichtung der Eisdiele mit allen Geräten vorerst bestehen. „Vielleicht besinnt sich noch jemand aus der Familie“, sagt sie: „Dann schmeckt’s auch wieder wie Eis-Bayer-Eis.“ (Ekkehard Wolf)

Bereits im vergangenen Jahr schloss ein beliebtes Lokal im Kreis Offenbach. Das Lokal der SG Rosenhöhe, eine Institution in Offenbach, kämpft dagegen noch ums Überleben. Eine andere Gaststätte öffnet dagegen wieder: Das Kult-Restaurant „Mutter Ernst“ kehrt zurück nach Frankfurt.* *fnp.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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