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Erhellender Selbstversuch

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Von: Bernhard Pelka

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Äußerst schwer bis unmöglich: Kittel zuknöpfen in dicken Arbeiterhandschuhen.
Äußerst schwer bis unmöglich: Kittel zuknöpfen in dicken Arbeiterhandschuhen. © Pelka, Bernhard

Mal schnell einen Kittel zuknöpfen: Das ist für gesunde Menschen kein Problem. Vor welche Herausforderungen aber stellen die dazu erforderlichen Handgriffe Ältere, die an Demenz leiden? Wie es sich anfühlt, als Alzheimerpatient den Alltag bewältigen zu müssen, konnten gestern, zum Welt-Alzheimertag, Besucher, Bewohner und Personal der Altenpflegeeinrichtung Haus Gretel Egner an der Feldstraße im Selbstversuch erleben. Vier von 13 Stationen eines Demenzparcours machten erlebbar, wie sich Demenz-Symptome auswirken. Das sollte Verständnis für die Betroffenen wecken.

Dudenhofen – Heidi Mosch-Göritz zieht die dicken ledernen Arbeiterhandschuhe an. Dann versucht die Besucherin des Hauses Gretel Egner, eigenhändig den eilig übergestreiften Kittel zuzuknöpfen. Zig Anläufe misslingen, dann klappt es mit Mühe schließlich doch. „Man spürt fast nichts“, schildert die Seniorin ihre Eindrücke. Wo ist der Knopf gerade zwischen meinen Fingern, wo das Knopfloch? „Und jetzt stellen sie sich das Ganze mal unter Zeitdruck vor, wenn ein Arztbesuch ansteht“, beschreibt Horst André eine mögliche Alltagssituation zuhause, in der ein Angehöriger darauf wartet, seine betagte Mutter oder seinen Vater zum Termin bringen zu können.

André vergleicht die bei Demenz schwindende Sinneskraft des Gehirns mit Büchern, die aus einem einst gefüllten Regal mit der Zeit herausfallen – immer eins nach dem anderen.

„Das Gehirn baut der Reihe nach ab. Es kommt zu Fehlsteuerungen, verlangsamtem Denken, Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen und mehr. Selbst einfachste Handlungen misslingen“, benennt der Leiter der Tagespflege die drastischen Folgen. Deshalb stellte der Parcours Alltagssituationen dar: Anziehen, Frühstücken, Einkaufen Abendessen. Wie schwer fällt es Gesunden, aus einem Schälchen die Glaskugeln (die eine Mahlzeit darstellen sollen) mit einem Löffel in kleine Becher zu bugsieren, sofern sie dabei ausschließlich auf das Spiegelbild ihrer Hand schauen dürfen? Wie viele Handgriffe sind nötig, um ein komplettes Frühstück vorzubereiten? Und in welcher Reihenfolge sind die Schritte am sinnvollsten? Das alles konnten Interessierte im Demenzparcours ausprobieren – und fühlten sich dabei so hilfsbedürftig, als seien sie selbst betroffen. (bp)

Zum Spaß und aus Interesse versuchte Besucherin Heidi Mosch-Göritz an einer der Mitmachstationen, die gestellte Aufgabe zu lösen.
Zum Spaß und aus Interesse versuchte Besucherin Heidi Mosch-Göritz an einer der Mitmachstationen, die gestellte Aufgabe zu lösen. © pelka
Mit dem Löffel essen, dabei aber nur aufs Spiegelbild schauen dürfen: Dieser erhellende Versuchsaufbau im Demenzparcours verdeutlicht anschaulich, welche Koordinationsprobleme Menschen haben, die an Demenz leiden.
Mit dem Löffel essen, dabei aber nur aufs Spiegelbild schauen dürfen: Dieser erhellende Versuchsaufbau im Demenzparcours verdeutlicht anschaulich, welche Koordinationsprobleme Menschen haben, die an Demenz leiden. © Pelka, Bernhard

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