Gründlichsein ist anstrengend

Der eigene Beruf ist Alltag. Doch wie fühlt es sich an, wenn man sich auf völlig fremdem Gebiet tummelt oder auch ein neues Hobby testet? Die Redaktion probiert es aus.
Rodgau – „Das ist nicht rückenschonend“. Antje Göckler schüttelt den Kopf. Anstatt mit dem großen Besen die Treppe abzukehren, habe ich den kleinen Handfeger gegriffen und kehre jede Stufe einzeln. Wie daheim. Doch das lässt der Putzprofi von der Stadtverwaltung Rodgau nicht gelten. Nach meinem Selbstversuch kann ich das gut verstehen. Was im 70er- Jahre-Liedchen „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“ so verniedlicht wird, gilt keinesfalls fürs Putzen. Das ist eine anstrengende Arbeit. An einem der heißesten Tage des Sommers erst Recht.
Deswegen müssen Reinigungskräfte zusehen, dass sie sich das Leben etwas angenehmer gestalten. Dazu gehört rückenschonendes Arbeiten und eine präzise Organisation. Für mich allerdings ist bereits der Arbeitsbeginn um 5.30 Uhr die erste Herausforderung.
Während ich den Eimer mit dem alkoholhaltigen Mittel schon wieder auf der Erde abgestellt habe und mich dauernd bücken muss, beobachte ich, wie Antje Göckler, mit der ich heute unterwegs sein darf, das Gefäß auf einem Stuhl platziert. Sie denkt an ihren Rücken und vermeidet überflüssige Bewegungen, wenn sie den Lappen auswringt. Die 47-Jährige hat nämlich wegen der immer gleichen Abläufe bereits Probleme mit der Schulter.
Die städtische Angestellte putzt im Rathaus, im Jugendtreff Weiskirchen, in diversen Ortsgerichten und einigen weiteren Objekten mehr. Zu ihrem wichtigsten Handwerkszeug gehören neben den Putzutensilien ein großer Schlüsselbund für die städtischen Liegenschaften.
Im Jugendtreff in Weiskirchen wische ich zunächst mal Flächen wie die Tische mit einem desinfizierenden Mittel ab: alles, was häufig angefasst wird. Im großen Raum mit den vielen Sofas und dem Billardtisch geht es los. Fenstergriffe und Lehnen der Barhocker reibe ich feucht ab. Nebenan im anderen Raum für die Kleineren reinige ich die Tischflächen und Rückenlehnen. Das Kehren mit dem überbreiten Besen ist gar nicht so einfach. Dann sauge ich die Polstermöbel ab, dabei muss ich mich tief bücken. Rückenschonen hin oder her, anders geht es nicht. Abgezogen und gewaschen werden die Bezüge zweimal im Jahr. „Die Jugendlichen gehen da nämlich auch mit den Schuhen drauf“, erklärt Antje Göckler.
Noch bevor ich losgelegt habe mit dem Putzen, hat meine Anleiterin mir erst mal die Hautschutzcreme in die Hand gedrückt und mich aufgefordert, mir die Hände einzureiben. Der tägliche Umgang mit Wasser und Reinigungsmitteln würde sonst nämlich unschöne Spuren auf Frauenhänden hinterlassen und zarte Haut in Reibeisen verwandeln.
Ich reinige sämtliche Griffe der beiden Tischkicker und richte auf Anweisung meiner Anleiterin alle Figuren gerade auf. Mit ihr zusammen rücke ich Tische zurecht und stelle Stühle akkurat hin. So sehen alle, die den Raum betreten sofort, dass Ordnung gemacht wurde.
Mit dem verschiedenfarbigen Lappensystem wird es einfacher, beim Gebrauch nicht durcheinander zu kommen: Grün wird für die Küche genutzt, Rot für die Toilette, Gelb für Waschbecken und Blau für Oberflächen. Das versteht jeder, auch wenn er die deutsche Sprache nicht perfekt beherrscht oder gar Analphabet ist.
Gerade hat mich der Profi erwischt, wie ich den Industriestaubsauger angehoben habe. „Den kann man doch ziehen, der hat Rollen“, kommentiert meine Lehrerin. Nun sollen die Handläufe im Treppenhaus abgewischt werden. Außerdem habe ich bereits Papierkörbe geleert und den Müll rausgebracht.
Als wir gegen 8.15 Uhr ins Rathaus kommen, ist das Gebäude fürchterlich aufgeheizt. Wir bringen die benutzten Putzlappen und Bezügen für den Bodenwischer in den Keller. Dort steht die Waschmaschine, die Antje Göckler gleich bestückt. Später wird die Reinigungskraft saubere Lappen mit nach Hause nehmen können. Für den nächsten Arbeitstag. Damit sie direkt zum jeweiligen Objekt aufbrechen und mit ihrer Arbeit beginnen kann.
Daheim putzt die Mutter zweier erwachsener Kinder auch noch. Weil das anstrengend ist, wenn es richtig gründlich sein soll, kann die Angestellte es gut nachvollziehen, dass sich auch einige Privathaushalte eine Reinigungshilfe leisten. (Von Simone Weil)

