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Heavy Metal in Zimmerlautstärke

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Von: Ekkehard Wolf

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Schmuckstück im Keller: Aus dem Studioraum mit Bühne wurden schon mehrere Livestreams gesendet.
Schmuckstück im Keller: Aus dem Studioraum mit Bühne wurden schon mehrere Livestreams gesendet. © Wolf

Ein Rodgauer Musiker hat Proberäume in einem ehemaligen Hochbunker in der Frankfurter Römerstadt eingerichtet.

Rodgau/Frankfurt – Der Rodgauer Musiker Born Meißner hat einen ehemaligen Hochbunker in Frankfurt zu Proberäumen umgebaut. Etwa 85 Bands haben dort eine neue Heimat gefunden. Das Schmuckstück des Hauses ist jetzt fertig: Ein 60 Quadratmeter großes Studio im Keller mit Schallschutz-Glasscheiben. Auf der einen Seite lärmt die Band, auf der anderen hört man Heavy Metal fast in Zimmerlautstärke.

Der Betonklotz an der Hadrianstraße, eine U-Bahn-Station vom Nordwestzentrum entfernt, war im Zweiten Weltkrieg als Schutzraum für 1300 Menschen gebaut worden. Die Maag Grundbesitz GmbH (Offenbach) hatte ihn im Sommer 2018 für 403 000 Euro ersteigert.

„Mir gefallen die alten Betonklötze“

Schon in den Jahren zuvor hatte das Unternehmen versucht, einen Bunker zu erwerben. Geschäftsführer Stefan Maag: „Mir gefallen die alten Betonklötze. Man kann sehr viel Nutzfläche für wenig Geld kaufen.“ In diesem Fall etwa 1350 Quadratmeter. Ein Schnäppchen. „Wo bekommt man für 300 Euro pro Quadratmeter eine so massive Bauweise? Da kostet jede Garage mehr.“

Der erste Eindruck? „Der Bunker war natürlich in katastrophalem Zustand“, so Maag. „Es sah ganz schlimm aus und hat auch übel gerochen“, ergänzt Born Meißner. Die beiden hatten sich bei der Versteigerung kennengelernt.

Ein solches Bauwerk zu sanieren, ist kein Pappenstiel. „Die größte Herausforderung war der Brandschutz“, berichtet Stefan Maag. Besonders viel Arbeit machten die Kernbohrungen für Lüftung, Heizung und Elektrik. Die Mauern sind zwischen 1,20 und zwei Meter dick. Allein an der Öffnung für einen Rauchabzug schufteten Maag und Meißner mehrere Wochen lang, Bohrkern für Bohrkern.

Die komplette Elektrik wurde erneuert, mehr als zwölf Kilometer Kabel verlegt. Es gibt WLAN im ganzen Haus, alle Flure und Treppenhäuser sind videoüberwacht.

Eine gute Million Euro hat der Eigentümer in Sanierung und Umbau gesteckt. Nach zweieinhalb Jahren wirkt das Haus innen wie neu. Nur die Treppen mit ihren Betonstufen und eisernen Handläufen erinnern noch an die Vergangenheit.

Das Bauwerk sei „der schönste Musikbunker in Frankfurt“, schwärmt Born Meißner aus Nieder-Roden. Hinter den meterdicken Betonmauern proben 85 Bands, auch aus Rodgau. Auch Schlagzeug- und Klavierlehrer haben sich eingemietet.

Sie sind stolz auf ihren Musikbunker: Born Meißner aus Rodgau (links) und Investor Stefan Maag (rechts).
Sie sind stolz auf ihren Musikbunker: Born Meißner aus Rodgau (links) und Investor Stefan Maag (rechts). © Wolf

Seinen früheren Beruf hat Meißner aufgegeben. Jetzt ist er für Verwaltung und Vermietung des Musikbunkers verantwortlich. Außerdem hat er die Proberäume ausgestattet. Als Schlagzeuger (Band „Numenon“) weiß er, was Musiker brauchen. Die komplette Backline wird gestellt: Mikrofone, Verstärker, Monitorboxen, Schlagzeug und Gehörschutz stehen bereit. Gitarristen und Keyboarder müssen nur noch ihre Instrumente einstöpseln.

Die Schlagzeuger trommeln hinter Glas

Und weil das Schlagzeug in der Regel das lauteste Instrument ist, gibt es dafür separate Räume. Entweder schließt sich der Drummer hinter einer Glastür ein oder er spielt allein in einem eigenen Zimmer. Der Sichtkontakt zur Band erfolgt im zweiten Fall über einen Bildschirm.

Schlagzeuger Tom Goldberg von der Band „Hollowed“ weiß das zu schätzen: „Das beste Probenerlebnis, seit ich Musik mache.“ Und das nicht nur deshalb, weil es sich den Sound der Band an einem Tablet selbst zusammenmischen kann. Auch ein so gleichmäßiges Raumklima habe er in 20 Jahren noch nicht erlebt: „Man probt deutlich angenehmer als in Räumen, die im Sommer heiß und im Winter kalt sind.“ Davon kann auch Schlagzeuger-Kollege Born Meißner ein Lied singen: „Normalerweise bekommen Musiker nur Räume, die keiner haben will.“

Das Schmuckstück des Hauses ist ein Bühnenraum im Keller. Nach monatelanger Umbauzeit ist er gerade fertig geworden. Der etwa 60 Quadratmeter große Raum war früher bis zur Decke mit Sand gefüllt, der als Luftfilter diente. „Da haben wir 140 Tonnen Sand herausgeschafft“, berichtet Born Meißner. Heute vergisst man schon nach wenigen Minuten, dass man sich im Keller eines ehemaligen Bunkers befindet. Eine 20-Quadratmeter-Bühne mit Schlagzeug, Mikros und Verstärkern wartet nur darauf, dass die Musiker loslegen. Scheinwerfer, Kamera und digitale Mischpulte für Licht und Ton machen den Raum zum Studio. Die ersten Livestream-Konzerte wurden von dort schon übertragen.

Originelle Schalldämmung: Künstliche Pflanzen schlucken mehr Lärm als die üblichen Schaumstoffelemente.
Originelle Schalldämmung: Künstliche Pflanzen schlucken mehr Lärm als die üblichen Schaumstoffelemente. © Wolf

Der Clou sind drei Glastüren zwischen der Bühne und dem Computer-Arbeitsplatz des Studios. Die Vierfach-Verglasung dämpft den Schalldruck der Band von 110 auf 70 Dezibel. „Da kann man Heavy Metal ohne Ohrstöpsel auf Zimmerlautstärke hören“, schwärmt Born Meißner. Und die Musiker sind nur ein paar Meter entfernt.

Die Wände sind nicht nur mit den üblichen Schallschutzmatten aus Schaumstoff verkleidet. Dazwischen wuchert üppiges Grün. Born Meißner hat Holzpaletten mit Stoff überzogen und mit künstlichen Pflanzen bestückt. Das Laub dämmt enorm.

Investor Stefan Maag ist voll des Lobes: „Der Bunker macht mir richtig Freude. Ich hätte nie gedacht, dass es so toll wird.“

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