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„Hier gibt es eine Gerechtigkeitslücke“

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Von: Bernhard Pelka

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Nur zusammen geht’s: JSK-Vorstand Lothar Mark inmitten des Teams der Geschäftsstelle mit Judith Mark (Leitung, rechts), Cornelia Böhm (Zweite von links, Chefin Kinder- und Kindergartenturnen) und Svitlana Vasylieva (links, angehende Übungsleiterin) bei Vorbereitungsarbeiten zur Winterlaufserie.
Nur zusammen geht’s: JSK-Vorstand Lothar Mark inmitten des Teams der Geschäftsstelle mit Judith Mark (Leitung, rechts), Cornelia Böhm (Zweite von links, Chefin Kinder- und Kindergartenturnen) und Svitlana Vasylieva (links, angehende Übungsleiterin) bei Vorbereitungsarbeiten zur Winterlaufserie. © pelka

INTERVIEW Wie sehr drücken den größten Verein im Sportkreis die Energiekosten?

Rodgau – Vor gut vier Wochen haben die Mitglieder des Jügesheimer Sport- und Kulturvereins Rodgau (JSK) und der Sportvereinigung Weiskirchen (SVW) der Verschmelzung ihrer Vereine zugestimmt. Es entsteht mit der Sport. Kultur. Gemeinschaft. Rodgau (S.K.G.) der größte Verein im Sportkreis Offenbach. Wir sprachen mit dem JSK-Vorsitzenden Lothar Mark über die Entwicklung.

Die Zustimmung zur Verschmelzung war vor gut vier Wochen überwältigend. Wie ist die Stimmung heute?

Die Stimmung ist in beiden Vereinen gut. Die Mitglieder der SVW sind aufgeschlossen, nehmen die Angebote des JSK an, haben sich auf der Bühne beim Kürbisfest mehrfach gezeigt und viel Beifall und Lob kassiert. Der JSK hatte am Sonntag den Tag der Jubilare, gemeinsam mit dem Vorstand der SVW und den Jubilaren gefeiert. Da gab es noch einmal viel Beifall von den Altvorderen. Die Mitglieder merken, da bewegt sich etwas in die positive Richtung. In beiden Vereinen hält die positive Mitgliederentwicklung an. Bei SVW mit stärkerer Dynamik. Das liegt am Kraftsport. Das ist der Renner.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir tagen bereits seit acht Monaten in unseren Gremien gemeinsam, treffen Investitionsentscheidungen und beraten, wie wir Energie einsparen können. Wir waren mit unseren Anträgen an die Stadt zu den energiesparenden Maßnahmen im letzten Jahr vor der Bugwelle. Der Krieg hat uns überholt, jetzt rennen wir hinterher. Wir sehen uns bestätigt mit unseren Beschlüssen. Die Stadt und der Kreis haben zugestimmt. Jetzt warten wir auf das Land.

Beim Herz-Kreis-Lauf sah man Streckenhinweise, die schon mit S.K.G. gekennzeichnet waren. Pressemeldungen aber erreichen uns noch unter der Flagge des JSK. Wann wird der Verein offiziell und einheitlich unter S.K.G. firmieren?

Das stimmt, unsere Sponsoren – und es werden täglich mehr – wollen natürlich S.K.G. sehen. Auch der Asklepios-Lauf. Deshalb haben wir das Logo freigegeben. Doch die Mitglieder müssen dem in einer Mitgliederversammlung noch zustimmen. Das geht aber erst dann, wenn die Eintragung vom Amtsgericht vorliegt. Generell brennen die Mitglieder darauf, die neuen Fan-Schals am besten schon unter dem Weihnachtsbaum liegen zu haben.

Wie lange werden die Vorstände, die die Verschmelzung vorangetrieben haben, als Lotsen noch an Bord bleiben?

Wir haben uns alle das Wort gegeben, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Wenn die Mitglieder es wollen, besteht unser nächster Vorstand aus zehn Personen. Lothar Mark, Albert Frühwacht, Stefano Uslenghi, Frank Herold, Geli Stark, Thomas Rieder, Manfred Ballüer, Annemarie Jonas, Götz Schwarz und Rainer Müller. Hinzu kommt ein sehr starker Ältestenrat mit Heide Klabers und Erwin Kneißl an der Spitze.

Ein großer Verein kann mehr bewegen als ein kleiner, aber Größe kann auch Last sein – Stichwort: Energiekosten. Hat die S.K.G. zu viele Liegenschaften?

Ja, Größe ist eine Last. Wer die Last der Verantwortung nicht tragen kann oder unter ihr zerbricht, sollte es nicht tun. Denn im Ehrenamt sollte man von jedem nicht mehr verlangen, als er geben kann. Ehrenamt muss Spaß machen, es muss einem von der Hand gehen.

Wir haben zehn Vorstände, die mit Verve ihrem Ehrenamt nachgehen. Wenn einer nicht kann, so tragen die anderen seine Last. Damit sind wir bisher gut gefahren. Ähnlich des Spruchs: Viele Hände schnelles Ende.

Zu viele Liegenschaften? Im Stadtzentrum kann man nicht genug Liegenschaften haben. Unsere Nähe zu den Menschen hat sich bereits beim Gesundheitssport gezeigt. Unsere Liegenschaften sind so ausgelastet, dass wir das Haus der Begegnung auch noch im nächsten Jahr mieten. Aber natürlich ist Energie ein Thema.

Bedroht das Energiekostenproblem Sportvereine noch mehr als die Corona-Pandemie?

Finanziell sind die Auswirkungen deutlich größer. Allerdings wird es bei uns abgeschwächt durch Eintritte. Die S.K.G.-Mitglieder zahlen im Durchschnitt 132 Euro Beitrag pro Jahr. Das liegt an den vielen Familienmitgliedschaften und dem günstigen Beitrag in Relation zum Angebot. Wenn der Bestand um 200 Mitglieder wächst, helfen auch die steigenden Beitragseinnahmen.

Das Bedauerliche an der Situation ist, dass alle Vereine mit eigenen Liegenschaften darunter leiden. Sie haben am meisten für die Gemeinschaft investiert, sind noch Risiken eingegangen, bis hin zur persönlichen Haftung und werden über die Energiekosten Stück für Stück enteignet. Denn alle Vereine, die keine eigenen Hallen haben, werden über Stadt und Kreis hoch subventioniert.

Hier gibt es eine Gerechtigkeitslücke, die dem Bürgermeister und dem Landrat bekannt ist. Wir profitieren über die von uns genutzten Schulturnhallen und städtischen Sporthallen auch davon, sagen aber trotzdem: Es ist nicht gerecht.

Hier ist die kommunale Familie gefordert. Fest steht, dass es am Ende des nächsten Jahres weniger Vereine in Sport und Kultur gibt als heute – und damit die Vielfalt abnimmt.

Welche Möglichkeiten hat die S.K.G., die immens gestiegenen Kosten abzufangen?

Wir haben in einem ersten Überblick 150 000 Euro höhere Kosten durch Energie ermittelt. Davon können wir ein Drittel durch Auflösung der Rücklagen abdecken (aber nicht jedes Jahr), ein weiteres Drittel durch Einsparungen und den Rest durch höhere Beitragseinnahmen, ohne dass die Beiträge für 2023 erhöht werden sollen, sondern weil durch attraktive Angebote mehr Mitglieder den Verein nutzen. Auf der anderen Seite wird derzeit jede Woche eine andere S... durchs Ort getrieben. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Deshalb rechnen wir immer mit dem „Worst Case“, dem schlimmsten Fall.

Wen sieht die S.K.G. beim Thema Kostenübernahme noch in der Pflicht?

Die kommunale Familie sieht sich selbst in der Pflicht, das hat mir der Landrat versichert. Die Stadt Rodgau wird auch ihre Hausaufgaben machen. Das Land wartet auf den Bund und die Spitzenverbände (Sportkreis, Landessportbund und Deutscher Olympischer Sportbund), sind verwundert, dass der Sport bisher in keinem einzigen Unterstützerpaket genannt wird. Wir wissen nicht, ob wir in den Hilfspaketen als Konzern gelten, als kleines oder mittelständisches Unternehmen, als gemeinnützige Organisation oder große Familie. Sport findet derzeit in den Programmen nicht statt.

Da wir gerade bei den Kosten sind: Wie sehr schmerzt die mit der Verschmelzung einhergegangene Grunderwerbssteuerzahlung heute noch?

Die Grunderwerbsteuer für gemeinnützige Vereine ist ein großes Versagen der Politik. Es handelt sich bei Verschmelzungen von Vereinen um einen steuerrechtlichen Erwerbsvorgang, der immer unentgeltlich erfolgt. Worauf also die Steuer? Es gibt so viele Ausnahmeregeln bei dieser Steuer. Vereine sind nicht dabei. Es ist unmöglich, wie mit dem Ehrenamt und dem viel beschworenen „Kitt der Gesellschaft“ umgegangen wird. Der JSK hat sich frühzeitig darauf eingestellt und entsprechende Vorsorge getroffen. Trotzdem ist die Steuer bei Vereinsfusionen schamlos, weil sie gegen die guten Sitten verstößt.

Die aktuelle Krise fordert die ganze Gesellschaft heraus und bedroht außer der Lebensqualität Einzelner auch das Miteinander und die Solidarität. Wie kann es ein Großverein wie die S.K.G. schaffen, Verzagtheit aus dem Verein zu verdrängen und die Qualität des ohnehin strapazierten Ehrenamts aufrecht zu erhalten?

Die S.K.G. hat Hilfsbereitschaft, Miteinander, Solidarität, Unterstützung für die schwachen in der Gesellschaft in ihrer DNA. Es entspricht unserem Werte-Kanon. Der JSK war Mitgründer von Tante Emma, gehört der Gründungsinitiative des Hospizes am Wasserturm an und unterstützt seit 40 Jahren Gemeinsam mit Behinderten. Das sind auch die Werte unserer Mitglieder in ihrer Gesamtheit. Wir haben in unserem Namen als dritte Säule Gemeinschaft aufgenommen. Das sind Begegnungen, das ist Miteinander. Das zieht sich durch wie ein roter Faden. Wir sind ein Familienverein und fühlen wie Familie. Gleich ob Gänsje-Esse oder Oktoberfest von Inge Ries oder Gesundheitsfahrten von Heide Klabers oder die vielen Wandertouren oder die vielen Gemeinschaften, um die sich Annemarie Jonas in Weiskirchen kümmert. Nicht nur der Körper soll gesunden, sondern auch die Seele. Deshalb wird die Last geteilt, damit sie sich halbiert und die Freude miteinander geteilt, damit sie sich verdoppelt.

Das Gespräch führte

Bernhard Pelka

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