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So eigenständig leben wie möglich

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© Weil

Jügesheim - Das eigene Zimmer, das nach den persönlichen Vorlieben eingerichtet und in den Lieblingsfarben gestrichen ist, hat eine große Bedeutung: Man kann die Tür schließen, wann man will, Ruhe haben, wenn man möchte und selbst bestimmen, was man macht. Von Simone Weil

Was für junge Erwachsene eine Selbstverständlichkeit ist, ist für behinderte Menschen meist ein großes Abenteuer. Oft wird ihnen zu wenig zugetraut. Deswegen ist der Schritt aus dem Elternhaus in die Eigenständigkeit für sie etwas Besonderes.

Die Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach hat sich das Motto gegeben, „Wir begleiten Lebenswege“. Das macht der Verein unter anderem indem er Wohnmöglichkeiten schafft, in denen behinderten Menschen ein Leben außerhalb der Familie mit einem normalen Alltag möglich ist. Sie gehen je nach Einschränkung arbeiten, wohnen mit anderen zusammen und verbringen – je nach Wunsch – Freizeit und Urlaub mit anderen Bewohnern. Betreuer unterstützen und helfen ihnen, so unabhängig wie möglich zu sein.

Kunstwerke sollen Freizeit finanzieren

Die Wohngruppe Rodgau mitten im alten Ortskern von Jügesheim besteht seit zehn Jahren. Träger der Einrichtung ist die Behindertenhilfe, initiiert aber hat sie der Verein „Gemeinsam mit Behinderten“, der das „Haus Emmanuel“ genannte Gebäude mit großangelegten Spendenaktionen wie dem 24-Stunden-Lauf in Dudenhofen finanziert hat.

Am Samstag, 19. Juli, wird das Jubiläum ab 11 Uhr in der Vordergasse 22-24 gefeiert. Mit einer kleinen Ausstellung mit Werken der Bewohner, die unter Anleitung der Kunsttherapeutin Barbara Wilz zum Teil in deren Atelier in Seligenstadt entstanden sind, lädt die Wohngruppe zum Tag der offenen Tür ein. Auf ihre Bilder, die sie unter dem Titel „Mein Leben ist ein Kunststück“ präsentieren, sind die Künstler stolz. Die Arbeiten werden zum Kauf angeboten, um mit dem Erlös eine Ferienfreizeit zu finanzieren.

Einfach mal bummeln gehen

Wohngruppenleiterin Simone Stodal-Kostka ist von Anfang an dabei und froh, dass sie die meisten Bewohner der Einrichtung noch zuhause kennenlernen konnte und nicht nur eine Akte vor der Nase hatte. 13 Frauen und Männer zwischen 22 und 55 Jahren leben in dem freundlich eingerichteten Haus mit großer Wohnküche und Aufenthaltsraum, in dem derzeit die wichtigen WM-Spiele gemeinsam geschaut werden.

„In der ersten Zeit wurden wir manchmal angerufen und gefragt, ob es in Ordnung ist, dass einer der Bewohner an der S-Bahn-Station steht und wegfahren will“, erzählt die Leiterin. Anfangs war die Nachbarschaft überrascht, wenn die Antwort lautete: „Ja, die wollen bummeln oder einkaufen gehen.“ Inzwischen kennt man sich und weiß, dass viele der Bewohner selbstständig unterwegs sein können. Nur wer nicht verkehrssicher ist und sich nicht orientieren kann, muss begleitet werden. „Wir sind mitten im Ort und inzwischen sind wir angekommen“, beschreibt Stodal-Kostka die Situation als unkompliziert.

Fünf Einzelappartements in Sichtweite

Probleme gibt es wie in jeder anderen Wohngemeinschaft: Außer zwischenmenschlichen Konflikten führe manchmal der Wunsch, total selbstständig sein und alles alleine machen zu wollen, zu Auseinandersetzungen, erzählt die Leiterin. Immerhin sind fünf Einzelappartements im ambulant betreuten Wohnen in Sichtweite: Die Vorstellung vom Alleinleben ist für manchen verlockend.

Auch wenn es Ziel sei, die Bewohner ganz individuell so weit wie möglich zu fördern und zu begleiten, sei eben doch nicht jeder in der Lage, völlig unabhängig zu wohnen, meint die gelernte Heilerziehungspflegerin. Deswegen sei der permanente Austausch mit den Bewohnern, den Eltern und gesetzlichen Betreuern sowie den Kollegen unerlässlich. Zum Geburtstag der Einrichtung wünscht sich Simone Stodal-Kostka neue Möbel fürs Wohnzimmer und dass alle Urlaub machen können. „Einige der Bewohner würden unheimlich gerne mal fliegen“, verrät sie.

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