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Keltensiedlung auch in Rodgau?

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Grabhügel für die Ewigkeit: Das Hügelgrab nahe der Waldfreizeitanlage Jügesheim ist weit mehr als 2000 Jahre alt.
Grabhügel für die Ewigkeit: Das Hügelgrab nahe der Waldfreizeitanlage Jügesheim ist weit mehr als 2000 Jahre alt. © Wolf

Gab es auch in Rodgau eine keltische Siedlung, ein sogenanntes Oppidum? Darauf deuten mehrere Hügelgräber und ein Bodenfund hin. Die Historikerin Dr. Ingrid Firner, die frühere Leiterin des Stadtarchivs Seligenstadt, fasst die vorliegenden Informationen zusammen. Anlass: Das landesweite Archäologiejahr „Keltenland Hessen“ wird am 9. März eröffnet.

Rodgau – Auf Archäologie- und Kelten-Fans warten in diesem Jahr interessante Veranstaltungen und neue Forschungsergebnisse. Am Mittwoch, 9. März, wird das erste hessenweite Archäologie-Jahr unter dem Motto „Keltenland Hessen“ im Keltenmuseum am Glauberg in der Wetterau eröffnet. Das Landesamt für Denkmalpflege hat mit Archäologen und Denkmalämtern viele Ausstellungen, Veranstaltungen und ein Begleitbuch vorbereitet, um Fundstücke und neueste Erkenntnisse zur keltisch geprägten Eisenzeit (800 - 15 v. Chr.) in Hessen zu präsentieren.

Bisher gab es die herausragendsten Grabungsergebnisse zur keltischen Kultur in Bayern, Baden-Württemberg, in der Schweiz und im österreichischen Hallstadt. Aber auch in Hessen zeugen zahlreiche Hügelgräber, Wallgrabenanlagen, Fürstensitze und Fundstücke aus acht Jahrhunderten von dieser einzigartigen Kultur, die von Irland bis Anatolien überall in Europa verbreitet war.

Durch jüngste Ausgrabungen sind keltische Siedlungsplätze auch im Rhein-Main-Gebiet bekannt geworden, etwa im Odenwald, im Taunus, im Offenbacher und Frankfurter Stadtwald, in der Rhön und im Lahn-Dill-Kreis.

Ein besonderes keltisches Machtzentrum befand sich am Glauberg. Dort wurden 1994 bei Grabungen vier prächtig ausgestattete Kriegergräber und der berühmte „Keltenfürst“ entdeckt – eine bisher einmalige, fast vollständig erhaltene Steinskulptur eines mit einer Blattkrone geschmückten Mannes. Seinem Grab waren Kostbarkeiten beigegeben: ein typisch keltischer Halsring aus Gold, ein goldener Armring, ein goldener Fingerring, die berühmte Schnabelkanne, dazu Schwert, Schild, Pfeil und Bogen.

Keltische Siedlungsstätte in Rodgau ist sehr wahrscheinlich

Auch in Rodgau kann man mit größter Wahrscheinlichkeit von einer keltischen Siedlungsstätte ausgehen. Laut Auskunft von Dagmar Kroemer von der Bodendenkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach ist beispielsweise das sehr gut erhaltene Hügelgrab an der Rodfeldschneise nahe der Waldfreizeitanlage Jügesheim als keltisches Relikt dokumentiert. Dieser hohe Grabhügel wurde mit großem Aufwand vor weit über 2000 Jahren errichtet, sozusagen für die Ewigkeit. Sogar das katastrophale Unwetter im August 2020, bei dem schwere Baumstämme auf das Grab stürzten, konnte den Hügel nicht beschädigen. Dieses Hügelgrab lässt eine größere keltischen Siedlungsstätte in der Nähe vermuten, ein „Oppidum“, wie die Römer solch einen früh-urbanen, befestigten Ort nannten, als sie in keltisches Gebiet an Rhein und Main vordrangen. Größe und Stabilität des Grabhügels lassen vermuten, dass hier eine hochgestellte Persönlichkeit bestattet wurde.

Weitere kleinere Grabhügel wurden in der Nähe des Waldfriedhofs Jügesheim festgestellt. Ausgrabungen, die Klarheit über die genaue Lage einer zugehörigen keltischen Siedlung bringen könnten, sind derzeit jedoch nur an Fundorten geplant, die durch bauliche Veränderungen oder landwirtschaftliche Nutzung gefährdet sind. Relativ geschützte Hügelgräber in Wäldern überlässt die Archäologie zukünftigen Grabungen und weiteren Fortschritten in Forschung und Archäologietechnik.

Keine Grabungen in Rodgau geplant - aber wie wäre es mit Luftbildarchäologie?

Wünschenswert wäre jedoch der rechtzeitige Einsatz der modernen Luftbildarchäologie, die alte, menschengemachte Bodenstrukturen in unbebauten Arealen, inzwischen sogar in bewaldeten Gebieten, abbilden kann, bevor in Rodgau weitere umfangreiche Baumaßnahmen die verbliebenen Felder und Wiesen für lange Zeit zu versiegeln drohen.

Ein weiterer Hinweis auf ein keltisches „Oppidum“ im heutigen Rodgauer Stadtgebiet könnte der Fund großer Eisenschlackestücke unter der katholischen Kirche Weiskirchen sein, die 1984 bei einer Grabung anlässlich der Kirchenrenovierung entdeckt wurden. Handelt es sich um Überreste eines keltischen „Rennofens“? Die Kelten waren nämlich nicht nur hervorragende Ackerbauer, Viehzüchter, Künstler und Handwerker, sondern waren auch berühmt für ihre Schmiedekunst. Sie nutzten den damals neuen Rohstoff Eisenerz, um es zu verhütten und Schwerter, Messer, Handwerks- und Alltagsgeräte herzustellen. Im Lahn-Dill-Kreis waren Eisenerzvorkommen zugänglich, die importiert und hier verarbeitet werden konnten. (Ingrid Firner)

Ausflugsziel für archäologisch Interessierte: Die „Keltenwelt am Glauberg“ ist nur 40 Kilometer von Rodgau entfernt. Das Archi
Ausflugsziel für archäologisch Interessierte: Die „Keltenwelt am Glauberg“ ist nur 40 Kilometer von Rodgau entfernt. Das Archivbild zeigt den rekonstruierten Grabhügel und 16 rekonstruierte Holzpfosten, deren Bedeutung noch unklar ist. © Wolf
Einmalig: die Statue des „Keltenfürsten“ im Museum am Glauberg.
Einmalig: die Statue des „Keltenfürsten“ im Museum am Glauberg. © Wolf

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