Zirkus überwintert in Rodgau

Nach zehn Tagen Gastspiel hat der Zirkus Rolina m Dienstag sein Zelt an der Philipp-Reis-Straße abgebaut. Der Familienbetrieb mit 50 Tieren bleibt aber für ein paar Wochen in Jügesheim, weil er kein eigenes Winterquartier hat. Im Januar will er weiterziehen.
Jügesheim - „Wir haben mit den Eigentümern abgesprochen, dass wir über Weihnachten bleiben dürfen“, berichtet Zirkusdirektor Freddy Ortmann. „Das Schöne an dem Gelände: Wir haben genug Platz für die Tiere, versinken nicht im Matsch und stören keinen.“
Der Zirkus Rolina bietet Familien mit Kindern an, bei einem Spaziergang die Tiere zu besuchen. Das kostet nichts, der Familienbetrieb ist aber für jede Spende dankbar. „Die Kinder können auch ein paar Möhren oder Brot mitbringen und Tiere damit füttern“, sagt Ortmann. Von den Zirkusleuten sei immer jemand anwesend, um darauf zu achten, dass nur geeignete Nahrung verfüttert wird.
Wie begeistert gerade kleine Kinder auf die Tiere reagieren, war am Dienstag zu erleben. Der zweijährige Leon staunte über die riesigen Kamele, über die gestreiften Zebras und über das Lama, das ihn mit gebleckten Zähnen anlächelte. „Solche Tiere kennt er bisher nur aus Büchern“, erzählte seine Mutter Tanja Legel.
Familienzirkus: Ein Leben lang auf Achse
Der Familienbetrieb des Zirkus Rolina besteht aus 14 Menschen. Außer dem Ehepaar Ortmann gehören dazu unter anderem vier erwachsene Söhne, zwei Schwiegertöchter und die Enkel. „Mein Zuhause ist dort, wo mein Wohnwagen steht“, sagt Freddy Ortmann. Er wurde vor 60 Jahren in eine Zirkusfamilie hineingeboren. Auch seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern waren ständig auf Achse.
Dreimal pro Woche kommt ein fahrendes Klassenzimmer zum Wohnwagendorf des Zirkus Rolina. Drei Kinder aus der Großfamilie besuchen die Schule für Kinder beruflich Reisender aus Wiesbaden. Dank des Lernmobils bleibt ihnen ein ständiger Schulwechsel erspart. Die Lehrerin kennt ihre Schüler und kann sie individuell fördern. Dennoch geht es den drei Schülern wie allen Zirkuskindern: Nach den Hausaufgaben arbeiten sie in der Manege mit.
Für den kleinen Zirkus bedeutet die Pandemie eine schwierige Zeit. Dennoch kommt dem Zirkusdirektor kein Wort der Klage über die Lippen. „Wir durften erst Ende Juni, Anfang Juli wieder anfangen“, berichtet er. Mit steigender Inzidenz seien immer weniger Zuschauer gekommen. „Es war eigentlich nicht beabsichtigt, im Winter hier zu bleiben.“ Aber: „Wir haben in Rodgau gemerkt, dass die Zuschauerzahlen rapide zurückgegangen sind.“ Die Hälfte der Vorstellungen habe mit 15 bis 20 Zuschauern stattgefunden, nur am Sonntag seien mehr als 50 Besucher im Zelt gewesen.
Rodgau: 50 Zirkustiere fressen zwei Rundballen Heu pro Tag
Neben den Darbietungen der Artisten sind Tiernummern das Aushängeschild des Zirkus Rolina, der sich auf Plakaten als „Deutschlands schönsten Tiercircus“ bezeichnet. Zur Menagerie des Unternehmens gehören unter anderem vier Kamele, zwei Zebras, Lamas, Pferde und Schottische Hochlandrinder. Das Hauptnahrungsmittel ist Heu. Jeden Tag fressen die Tiere zwei große Rundballen. Den Mist nimmt ein örtlicher Landwirt ab.
Die Futterversorgung im Winterquartier ist nicht ganz einfach. Ein Landwirt aus der Region hat dem Zirkus zugesagt, ihn in den nächsten Wochen mit Heu zu versorgen. „Die Tiere müssen nicht hungern“, betont Freddy Ortmann. Dennoch freut er sich über jeden Landwirt, der ihm ein paar Ballen Heu oder anderes Tierfutter zu einem günstigen Preis verkauft.
Im neuen Jahr will der Zirkus weiterziehen, sobald Wetter und Pandemie das nächste Gastspiel erlauben. Freddy Ortmann: „Wir haben es bis hierher geschafft, dann schaffen wir’s auch weiter.“
