Klassentreffen mit 98 Jahren

Ein Klassentreffen ist doch immer wieder ein vergnügliches Stelldichein: Die Klassenkameraden lachen über den unbeholfenen Lehrer und amüsieren sich über die Streiche der Kindheit.
Dudenhofen – Walter, Marie Kern und Margarete Seib ließen es beschaulicher angehen. Mit einem Glas Sekt feierten sie sich und ihr sehr langes Leben. Für die Damen brannten dieses Jahr bereits die Kerzen auf der Geburtstagstorte, sie zelebrierten ihre 98. Geburtstage.
Es ist einige Zeit her, dass die Schulkameradinnen gemeinsam am Tisch saßen. Und die Tage der Einschulung liegen noch viel weiter in der Vergangenheit. Mehr als 90 Jahre ist es her, da die drei als Abc-Schützen in Dudenhofen die Schulbank drückten.
Am ersten Schultag ließen sie sich mit ihrem Lehrer Schmidt vom Fotografen ablichten. Es war die Einschulung des Geburtsjahrgangs 1923/24. Das Foto existiert sogar noch. Die Aufnahme liegt im Archiv des Vereins Heimat, Geschichte und Kultur in Dudenhofen. 50 Kinder waren es damals, für die der so oft zitierte Ernst des Lebens begann. Darunter Hildegard Walter, alias „Küchler-Hilde“ aus der früheren Dudenhöfer „Hinnergass‘“, Marie Kern, bei älteren Generationen bekannt als „Brücke-Mariechen“ (geborene Klein) und Margarete Seib, die als „Conrads-Gretchen“ an der Hauptstraße Dudenhofens aufwuchs. Sie sind die letzten drei aus ihrer Klasse.
Marie Kern kannte noch Details der ersten Schuljahre: „Unser Lehrer war ganz prima“, erinnerte sie sich an den Lehrer Schmidt. „Wir waren ja auch ganz brav“, sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Nach der Schule mussten sie zur Feldarbeit oder die Mädchen gingen der Mutter im Haushalt zur Hand. Dort wartete immer die Pflicht, die Familie zu ernähren. Marie Kern: „Wir hatten aber auch Zeit zum Spielen.“
Kaum war die Schulzeit vorbei, begann das Landjahr. Hildegard Walter lernte im Odenwald bei einer Lehrerin Nähen und Stricken. Margarete Seib arbeitete als Hausmädchen bei Familie Simon in Jügesheim.
Später führte Marie Kerns Lebensweg in die Lazarette des Zweiten Weltkriegs. Dort pflegte sie mit 18 Jahren die verwundeten Soldaten. Zunächst in Königstein und später in Gera. Als die Rote Armee anrückte, floh sie zurück Richtung Heimat. Später leitete die Liebe sie nach Jügesheim.
In zwei Jahren werden sich die ehemaligen Schulfreundinnen hoffentlich zum 100. Geburtstag gratulieren. Dann heben Berthold Seib und Wolfgang Walter mit den anderen Familienangehörigen die Gläser. Die Söhne von Margarete Seib und Hildegard Walter arrangierten das außergewöhnliche Klassentreffen des Dudenhöfer Jahrgangs 1923/24. (Von Andreas Pulwey)