Kreuzweg gegen Spende abzugeben

Seit dem Verkauf der Begegnungsstätte der Kirchengemeinde St. Matthias an einen Bauträger haben mehrere Gegenstände aus dem Gebäude den Besitzer gewechselt – und das teils aus spektakulären Gründen. Der Tabernakel, zum Beispiel, steht jetzt in der Pfarrei St. Bonifatius in Riedstadt. Deren Schrein hatten Diebe im April 2021 gestohlen.
Nieder-Roden – 2017 war die Begegnungsstätte der Kirchengemeinde St. Matthias geschlossen und vergangenen Sommer samt Grundstück schließlich an einen Bauträger verkauft worden. Viele Gegenstände aus dem Gebäude an der Seestraße sind inzwischen in anderen Händen. Hilfe und Ersatz waren zum Beispiel nach einem spektakulären Tabernakel-Diebstahl in der Pfarrei St. Bonifatius in Riedstadt dringend nötig.
„Wir sind sehr froh, dass unser Tabernakel weiterhin seinem ursprünglichen Zweck dienen kann. Aufmerksam wurde die Pfarrei durch einen Hinweis aus dem Bischöflichen Ordinariat in Mainz“, kommentiert der Nieder-Röder Pfarrer Dr. Peter Eckstein die Entwicklung.
Der Tabernakel aus Nieder-Roden hat also dankbare Abnehmer gefunden. Andere Stücke suchen noch eine neue Heimat – etwa die kleine Turmglocke und das große Wandkreuz. „Auch den getöpferten Kreuzweg von Pallottinerpater Ludwig geben wir gern in liebevolle Hände weiter. Preise verlangen wir dafür nicht, aber vielleicht kann man sich auf eine angemessene Spende für einen sozialen Zweck verständigen.“ Der Kreuzweg ist derzeit im Kirchturm von St. Matthias eingelagert.
Als die Begegnungsstätte abgegeben wurde, lautete die Devise: Nichts soll einfach weggeworfen werden. Deshalb bot die Pfarrei St. Matthias Selbstabholern an, gegen Spenden zuzugreifen. In die Hände nehmen diese Aktion bis heute die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Brigitte Lorenz, Kirsten Franz und Jutta Ladwig.
Die Freundinnen organisierten zum Beispiel Straßenflohmärkte vor dem Gebäude. „Zum Mitnehmen“ lautete dort der Appell auf einem großen Schild. „Stühle, Tische, Kerzenständer, Geschirr, Gläser, Lampen – alles ging wunderbar weg“, freut sich Brigitte Lorenz. Einrichtungsgegenstände vom Haus an der Seestraße bereichern überdies inzwischen das Inventar im Don-Bosco-Heim der Gemeinde. Und die kleine Orgel hat Jutta Ladwig gegen eine Spende gerne übernommen. Die Aktion bringt Kurioses und Anstrengung. „Manche Leute haben auf der Straße auch was dazugestellt. Zum Beispiel mal eine ganze Kiste mit Klassik-CDs. Aber auch die war ruckzuck weg“, erinnert sich die Pfarrgemeinderatsvorsitzende schmunzelnd.
Ein kleiner Kraftakt war der Abbau des Tabernakels. Pfarrer Eckstein, Brigitte Lorenz und ihre Mannschaft sowie Pfarrgemeinderatsmitglieder aus Riedstadt packten tüchtig mit an, lösten den schweren Tabernakel aus dessen Verschraubung und wuchteten ihn mit Hilfe eines starken Brettes und viel Hebelkraft in einen Transporter. „Die waren total glücklich darüber“, beschreibt die gebürtige Frankfurterin die Emotionen bei der Übergabe des guten Stückes.
Manches Überbleibsel ist nun noch eingelagert und sucht Abnehmer – Küchengeräte etwa. Aber der Geschäftsfrau ist nicht bange, dass sich jemand Passendes findet. „Einige Fenster aus der alten Rollwaldkirche waren auch über Jahre hinweg eingelagert. Jetzt will sie jemand haben“, begründet Brigitte Lorenz ihre Zuversicht.
Gebäude und Grundstück gingen vergangenen Sommer in den Besitz des Bankkaufmanns Marauge Demirtas und dessen Onkels Abdulbaki Dursun über. Beide wollen mit der Dursun Immo-Bau GmbH & Co. KG nach dem Abriss des Altbestands ein 2,5-geschossiges Mehrfamilienhaus mit zehn Mietwohnungen (65 bis 100 Quadratmeter) und Tiefgarage errichten. Der Bauantrag sei gestellt, sagt Demirtas. Er rechnet mit einem Abrissbeginn Mitte dieses Jahres.
Die Dursun Immo-Bau ist in Rodgau keine Unbekannte. Der Bauträger hat in Jügesheim, Weiskirchen und Hainhausen bereits Mehrfamilienanlagen realisiert.
Demirtas und Dursun haben zur nun verlassenen Begegnungsstätte ein besonderes Verhältnis, denn beide gehören der Aramäischen Gemeinde an, die dort jahrelang zuhause war. „Hier hatte ich Kommunionunterricht“, erinnert sich der in Nieder-Roden aufgewachsene Demirtas. Den Experten für Immobilienfinanzierungen beschleicht nun ein „merkwürdiges Gefühl, hier alles abzureißen und neu zu bauen“.
Wer noch Interesse an Erinnerungsstücken aus der Begegnungsstätte hat, ist im Pfarrbüro von St. Matthias an der richtigen Adresse: Tel. 06106 76555.
Von Bernhard Pelka
