Lieber reparieren als wegwerfen

Wegen hoher Inflationsrate, Beschaffungsproblemen für Ersatzteile und der Notwendigkeit, mehr denn je ressourcenschonend zu konsumieren, erhält das Reparieren eine ganz neue Bedeutung – und damit auch das Repair-Café in Rodgau.
Nieder-Roden – Das Blaupunkt-Kofferradio hat seine besten Jahre hinter sich. 1963 mag es der letzte Schrei gewesen sein. Jetzt aber ist der UKW-Empfang kaum noch zu hören. Deshalb landet das gute Stück auf dem Werkstatttisch von Schorsch Knaus. Ausgerüstet mit Spezialwerkzeug, gutem Licht und Brille, entfernt der gelernte Schreiner und passionierte Hobbyschrauber das Gehäuse, um die Innereien des Geräts vom Typ Diva unter die Lupe nehmen zu können. Auch am Nebentisch wird akribisch untersucht. Klaus-Dieter Sponer hat dort einen Denon-Verstärker geöffnet. Der macht keinen Mucks mehr. „Ich vermute, dass die Einschaltkondensatoren durch sind“, lautet die erste Diagnose.
Während die elektronischen Patienten in Raum 5 des Sozialzentrums auf den Seziertischen der ehrenamtlichen Reparateure liegen, warten die Besitzer der meist älteren Teile geduldig draußen vor der Tür. Wie beim Arzt im Wartezimmer. Und das ist voll, denn das seit November 2016 bestehende Angebot der Kooperation aus dem Verein „Starke Hilfe“ und der Stadt erlebt nach seiner Wiedereröffnung im Frühsommer eine Nachfrage wie nie zuvor.
Initiator Heinz Zborek vermutet, dass dies auch mit der aktuell schlechten Wirtschaftslage und den Problemen mit Ersatzteilen zu tun hat. Abgesehen von Reparaturen technischer Geräte, wie Fernseher, Radios, Küchenmaschinen, Fahrräder, Schmuck, Uhren und mehr gerät nach den Beobachtungen Zboreks dabei neuerdings auch „das Flicken von Bekleidung oder Heimtextilien immer stärker in den Blickpunkt der Kunden“.
Das gesteigerte Interesse speziell in diesem Segment indes löst beim Chef des Cafés aber Sorgenfalten auf der Stirn aus, denn es fehlt an Helferinnen und Helfern, die nähen, stricken oder stopfen können. „Wir freuen uns über die positive Resonanz und würden gerne, ja müssten sogar expandieren. Das ist aber nur mit mehr Reparateurinnen und Reparateuren möglich“, wirbt Zborek um Teilnehmer.
Früher war dieser Treffpunkt im Sozialzentrum am Puiseauxplatz auch so etwas wie eine Kommunikationsbörse. „Manche kamen nur so zum Unterhalten. Die hatten gar kein Gerät dabei. Aber Corona hat Vieles kaputtgemacht“, bedauert Zborek. Gerne erinnert er sich daran, dass im Repair-Café Jugendliche sogar schon Inspiration fürs spätere Berufsleben gefunden haben. „Einer ist Schreiner geworden, ein anderer Kfz-Mechatroniker. Das hat uns alle hier riesig gefreut.“
Warum verbringen Leute, die teils noch voll im Berufsleben stehen, ihre knappe Freizeit damit, die alten Elektrogeräte anderer Menschen zu reparieren? „Ich bin Handwerker aus Leidenschaft und helfe anderen gern“, erläutert Elektriker Oliver Iber seine Motive.
Auch den gelernten Kälteanlagenbauer Stefan Cruse führen ähnliche Gedanken ins Repair-Café. Auf Cruses Tisch liegt ein Weltempfänger, der beim Einschalten stumm bleibt. Später stellt sich heraus, dass lediglich der Akku nicht mehr funktioniert. Eine Kleinigkeit also. Aber nur in diesem Fall. Viele knifflige Rätsel sind im Repair-Café zu lösen. Aufgegeben wird nicht so schnell. Die Erfolgsquote beträgt Zborek zufolge 70 Prozent! (Bernhard Pelka)
