Mit dem Staubwedel am Hochaltar

Wie fühlt es sich an, einem Heiligen mit dem Wischtuch um den Bart zu gehen? Was empfindet ein gläubiger Katholik, wenn er den Hochaltar abstaubt? Einmal im Jahr kann man das erleben: beim Kirchenputz in St. Nikolaus. Sieben Ehrenamtliche haben das Gotteshaus in Rodgau gerade wieder auf Hochglanz gebracht – pünktlich zum Beginn des neuen Kirchenjahres.
„Eigentlich machen wir das eher in der warmen Jahreszeit“, sagt Thomas Buhleier aus dem Pfarrgemeinderat, der den Kirchenputz organisiert hat. Die vorherige Aktion hatte im Sommer 2021 stattgefunden, bevor Bischof Peter Kohlgraf zum Kirchenjubiläum nach Jügesheim kam.
Seither hat sich eine ordentliche Menge an Staub abgelagert – vor allem dort, wo man normalerweise nicht hinsieht. In so einer Kirche gibt es unzählige Vorsprünge, Simse und Friese, auf denen winzige Teilchen landen können. Mit dem 4,50 Meter langen Teleskopstiel kommt der Staubwedel fast überall hin. Eine Arbeit, die in die Arme geht. Es tut gut, die Muskeln immer mal wieder auszuschütteln. Thomas Buhleier ist gern dabei: „Es ist eine schöne Sache und macht Spaß.“
Was der Staubwedel aufgewirbelt hat, tanzt oft minutenlang durch die Luft. Besonders deutlich sieht man das im Streiflicht der Sonne, das durch die Buntglasfenster hereinfällt. Wie strahlende Fünkchen tänzeln die Partikel über den aufwärtsgerichteten Scheinwerfern im Chorraum.
Beim Staubwischen arbeiten sich die Helfer von oben nach unten voran: erst die Decken, dann die Wände und den Kreuzweg. Dann werden die Bänke mit einem Holzpflegemittel gewischt und die Sitzpolster abgesaugt. Chorraum und Eingang kommen zum Schluss an die Reihe.
Etwa drei Stunden braucht man, um den ganzen Kirchenraum auf Hochglanz zu bringen. Die Lampen über den Kirchenbänken werden diesmal nicht poliert. Das würde weitere zwei Stunden dauern. Dazu müsste jemand auf den Dachboden über dem Kirchenschiff steigen und eine Lampe nach der anderen hinablassen. Auf der Sitzbank stehend, käme man dann mit Messingpolitur an die Beleuchtungskörper heran.
Beim Putzen sieht man das Gotteshaus aus einem ganz anderen Blickwinkel. „Da gibt es Spinnweben, die habe ich noch nie gesehen, obwohl ich jede Woche in den Gottesdienst gehe“, berichtet Thomas Buhleier. Reaktionen aus der Gemeinde zeigen, dass die Arbeit wahrgenommen und geschätzt wird. „Man sieht, dass die Kirche sauberer ist“ – solche Äußerungen sind nach jedem Kirchenputz zu hören.
Eine der treuesten Helferinnen ist Božena Jakoby, die auch gern im Pfarrgarten hilft. „Ich bin süchtig nach Bewegung“, lacht sie. Außerdem fühlt sie sich der Kirchengemeinde innerlich verbunden.
So geht es auch den anderen Helfern. Ob Lektor, Kommunionhelfer oder Organist: Alle, die hier mit Wischtuch und Staubwedel hantieren, übernehmen auch andere Aufgaben in der Gemeinde. „Ich liebe dieses Gotteshaus“, sagt die ehemalige Gemeindereferentin Monika Weber: „Jeder, dem diese Kirche am Herzen liegt, sollte mitmachen. Wir alle sind ja die Kirche.“
Ihre Mitarbeit versteht Monika Weber auch als Dankbarkeit gegenüber den früheren Generationen. Seit mehr als 150 Jahren beten und singen Menschen in diesem Gebäude, suchen Zuflucht und finden Hoffnung. Als Beispiel nennt Monika Weber die hölzernen Kreuzwegstationen, die an der Rückseite kleine Plaketten mit den Namen der damaligen Stifter tragen: „Diese Menschen habe ich nie kennengelernt, aber sie sind immer noch bei uns.“ (Ekkehard Wolf)

