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Mord in Rodgau: Welche Rolle spielten Drogen?

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Von: Ekkehard Wolf

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Spurensicherung in der Tatnacht: Polizeibeamte am 20. Mai vergangenen Jahres vor dem Wohnhaus an der Rochusstraße. Im Vordergrund liegt eine Matratze mit Brandspuren, die aus der Tatortwohnung stammt.
Spurensicherung in der Tatnacht: Polizeibeamte am 20. Mai vergangenen Jahres vor dem Wohnhaus an der Rochusstraße. © Fabien Kriegel/5vision.news

Zweiter Prozesstag um einen Mord in Rodgau: Der Sachverständige beleuchtet Drogenkonsum und psychische Verfassung des Angeklagten. Und eine Zeugin liefert überraschende Details.

Hainhausen – Was jahrelanger Drogenkonsum aus einem Menschen machen kann, war gestern ein Thema im Mordprozess vor der 11. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt. Der Angeklagte (35) hatte bereits am ersten Verhandlungstag gestanden, einen langjährigen Bekannten erstochen und einen Stapel Kleidung auf dem Leichnam angezündet zu haben.

Zu der Tat kam es am 20. Mai 2022 in Hainhausen, als die beiden und ein dritter Bekannter abends in der Wohnung des späteren Opfers zusammensaßen. Alle drei Männer kannten sich seit 15 bis 20 Jahren.

Dass er plötzlich ein Küchenmesser zog und seinem Kumpel in den Hals stieß, erklärte der Angeklagte mit einer paranoiden Störung. Er habe sich bedroht gefühlt und zugestochen. Heute könne er das nicht mehr verstehen.

Bekannte des Angeklagten: „Das Kokain hat ihn vernichtet“

Mit zum Freundeskreis gehörte eine 33-jährige Frau, die in Mannheim lebt. „Viele Jahre sind wir sehr gute Freunde gewesen“, erklärte sie gestern vor Gericht. Sie kenne den Angeklagten seit der Schulzeit: „Er war sein sehr guter Mensch.“ In den Monaten vor der Tat habe sie ihn aber nicht mehr wiedererkannt. Nach dem Umzug von Kroatien nach Deutschland habe er zunehmend Drogen konsumiert.

Unter Tränen erzählte die Zeugin, wie sie den Angeklagten wenige Wochen vor der Tat bei einem Besuch in Rodgau erlebte: „Man hat ihm angesehen, dass es ihm schlecht geht, aber dass er versucht, bei seinen Freunden zu funktionieren.“ Sie sei sich sicher, dass der jahrelange Drogenkonsum seine Persönlichkeit verändert habe: „Das Kokain hat ihn vernichtet.“ Über Telefon und einen Messengerdienst sei sie fast täglich mit ihm in Kontakt gestanden. Zwei, drei Tage vor der Tat habe er gesagt, mit seiner Psyche sei etwas nicht in Ordnung. Sie habe das dem persönlichen Stress zugeschrieben: „Niemand hätte geahnt, dass er so weit gehen würde.“

Mord in Rodgau: Die letzten Sprachnachrichten vor dem tödlichen Messerstich

Auch am Abend der Tat tauschten die beiden Sprachnachrichten aus. Sechs davon wurden gestern im Gerichtssaal vorgespielt und von der Dolmetscherin übersetzt: harmloses Geplauder und scherzhafte Bemerkungen über das Wetter. An einer Stelle hört man zwei Männer lachen – etwa eine Stunde, bevor der eine dem anderen ein Messer durch den Hals bis in den Brustkorb sticht. Gegen 21 Uhr riss der Kontakt ab. Der Messerstich ging durch die Hauptschlagader. Das Opfer war innerhalb von Sekunden tot.

Wie es zu dieser Tat kam, kann sich die Zeugin auch neun Monate später nicht erklären: „Ich war 20 Jahre mit ihm befreundet. In dieser Zeit hat er niemanden geschlagen, niemanden beleidigt, war nie aggressiv, war immer freundlich zu allen. Ich kann nicht in seinen Kopf hineinschauen. Deshalb sage ich, dass es die Drogen waren.“

Mord in Rodgau: „Schädlicher Gebrauch“ von Speed

Als Sachverständiger beleuchtete der Neurologe und Psychiater Dr. Peter Haag (Weinheim) die Frage der Schuldfähigkeit. Beim Amphetamin-Konsum des Angeklagten sprich er von einem „schädlichen Gebrauch“, also nicht von einer Abhängigkeit. Auch bei Kokain und Cannabis sieht er keine Abhängigkeit.

Es sei anzunehmen, dass der Täter bei einem früheren Vorfall in Kroatien „an einer wohl drogeninduzierten Psychose gelitten hat“. Bei dem tödlichen Messerstich in Hainhausen liege das Motiv im Dunkeln. Es sei zwar möglich, dass der Täter „emotional im Hintergrund ein psychotisch-paranoides Erleben“ empfunden habe. Das geschilderte Gefühl, bedroht zu sein, reiche aber nicht als Eingangsmerkmal einer psychischen Störung aus.

Auch mit dem Drogenkonsum am Tag der Tat sei der tödliche Messerstich nicht erklärbar. Der Sachverständige sprach lediglich von einem „Echo des Wahnhaften“ nach einer Dosis Amphetamin, die am nächsten Tag nicht mehr nachweisbar war.

Er sehe weder einen Hinweis auf verminderte Steuerungsfähigkeit noch auf eine psychische Erkrankung. Auch das Unrechtsbewusstsein sei vorhanden gewesen.

Zudem sei der Täter nach dem tödlichen Angriff in seine Wohnung zurückgekehrt, habe geduscht und sich ins Bett gelegt. Dieses Verhalten passe nicht zu jemandem, der sich verfolgt fühlt.

Durch die Sprachnachrichten wirke der Verfolgungswahn noch unwahrscheinlicher: „Von jemandem, der sich bedroht fühlt, würde man nicht erwarten, dass er mit dem anderen scherzt.“

Die Schlussplädoyers wurden gestern noch nicht gehalten. Der Vorsitzende Richter Daniel Schledt riet dazu, das Gutachten des Sachverständigen „erst mal sacken zu lassen“. Der dritte und letzte Tag der Hauptverhandlung ist am Donnerstag, 16. März, um 9 Uhr. (Ekkehard Wolf)

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