Närrisches Gesamtkunstwerk

Rodgau – Dass die Fassenachter der Sport. Kultur. Gemeinschaft. S.K.G. Rodgau es noch können, haben sie schon bei der Ufftakt-Gala bewiesen. Nach zwei Kampagnen auf Onlinesparflamme legten sie nun noch eine Schippe drauf und formten ein Liveprogramm, das Vergleiche nicht scheuen muss. Comedy, Tanznummern, Vorträge, feiner Witz, rustikaler Humor und viel Gesang bildeten auf der Bühne in der ausverkauften Aula der Georg-Büchner-Schule ein närrisches Gesamtkunstwerk, das sich bescheiden Kostümsitzung nennt.
Besonders die Tanzgruppen „Cupiditas“ und „Marionetten“ wirbelten los, als seien sie von einem anderen Stern. Waghalsige Hebefiguren wechselten sich mit riskanten Überschlägen und schönen Bildern in grazilen Formationen ab: Wettkampfsport und Akrobatik pur! Beide Gruppen vertanzten Spannendes: „Cupiditas“ als Spezialeinheit des britischen Auslandsgeheimdienstes MI 6 mit vielen Elementen aus dem Modern Dance, während die Marionetten als rassige Catwomen zwischen viel Showtanz auch eine Girlreihe auf die Bretter zauberten, so gerade und synchron, wie eine Girlreihe nur sein kann.
Diese Disziplin beherrscht traditionell auch die Prinzengarde. Sie war als Anheizer im ersten Programmteil allererste Wahl und bescherte den Gästen einen fernsehreifen Auftritt.
Ihren ganz eigenen Charme hat die Männertanzformation „Taktlos“. Bei ihr kannte selbst Sitzungspräsident Stefan Schmidt kein Halten mehr. Als Ex-Taktloser ließ er sich von den strammen Mannen bei der Zugabe in die Luft werfen. Was tänzerisch dabei herauskommt, wenn Star Wars auf Dirty Dancing trifft, zeigten „Mothers on Move“. Im Zentrum des ersten Veranstaltungsteils standen auch Stephanie V. und ihr Prinz Erik I. Sie plauderten charmant aus dem familiären Nähkästchen und hatten eine klare Botschaft: „Bis Aschermittwoch, so geben wir bekannt, hat Freude zu herrschen im närrischen Land.“

Stets nachdenklich kommt der Gugi als Symbolfigur der Giesemer Fastnacht daher. Der Klimawandel und die Straßenklebe-Aktionen waren diesmal Philipp Jansens ernstes Thema. „Die Politik alleine wird es nicht schaffen, das Klima zu retten“, warb er für ein gesamtgesellschaftliches Engagement in dieser existenziellen Frage.
Worte wie Nadelstiche
Als Nachrichtensprecher setzte Soenke Herzog mit Worten Nadelstiche. Er glossierte die Weltpolitik mit dem zögerlichen Kanzler Scholz und ließ auch Lokales nicht außen vor: Rodgau, so Herzogs Vermutung, wird bald zur Dichterstadt, weil im Zuge der baulichen Nachverdichtung in Jügesheim jetzt sogar die Rodau-Aue zugebaut werden darf.
Ins Brautmodengeschäft hatte es die Bienen Katja Schweppe und Tanja Rossbach verschlagen. Zum Brüllen komisch der absurde Dialog der beiden Pointen-Königinnen zu den Vorzügen einer Trauerfeier gegenüber einer Hochzeit: „Bei einer Trauerfeier gibt’s bestimmt keine Sarg-Entführung und auch kein lustiges Kranzwerfen, wer der nächste ist.“

Ähnlich rustikal ging es im Bioladen der Gugisheimer zu. Dort könnte der Job so schön sein – wäre da nicht die sehr spezielle Kundschaft. Zum Beispiel der verpeilte Veganer, der mit einem selbst gehäkelten Topflappen bezahlt. Oder die überdrehte Businessfrau, die während des Einkaufs für den Kindergeburtstag permanent telefoniert.
Sobald Rudi Völler dem ultrarechten Bad-Höcke für die nächste WM Stadionverbot erteilt, wenn Trump im Hulk-Kostüm in Selbstlob versinkt und sich mit Putin darum streitet, wer der Größenwahnsinnigere von beiden ist, dann machen „En Haufe Leut’“ satirische Fastnacht. Ihre Talkshow verpackte Tiefgründiges geschickt in ein humoristisches Kleid.
Ehrung für großes Engagement
Eine Rakete am Ende ihres Auftritts hatten sich die „Giesemer Sing-Sang-Mädels“ mit ihrer gekonnten Mischung aus Vortrag und Gesang verdient. Und das nicht nur wegen ihrer schmachtenden Hymne auf Prinz Erik: „Der wunderschöne Erik, der geht auch steiler!“ Sing-Sang-Mädel Nadine Dorschner wurde hernach besonders geehrt. Sie erhielt für ihr Engagement rund um den organisierten Frohsinn die Goldene Flamme.
Besonders konsequent griff eine weitere Größe der örtlichen Narretei das Kampagnenmotto „Helden aus der Jugendzeit“ auf: die Gruppe „Kehlewetzer“. In einer musicalreifen Parodie ließen sie Stars wie Udo Lindenberg, Edith Piaf, Abba und die Muppets den Weg nach Rodgau finden. Seinen Weg auf die Bühne legte der Till, Marvin Kühne, in einer Blechbütt zurück, in der er sich wie auf einem Thron durch den Saal tragen ließ. Ganz Büttenredner eben. Nach diesem spektakulären Einzug nahm er sich als Thema die verlorene Zeit durch moderne Technik vor. Vor allem das Handy sei schuld daran, dass man sich in Gedanken verliert, anstatt sich mit ihnen zu befassen. „Handys sind das neue Rauchen.“ Keine Sitzung ohne Kapellen: Davon hat die S.K.G. gleich zwei zu bieten: das prinzliche Orchester für Staatsbesuche „PrOSt“ und die Kapelle „Zweiklang“. (bp)