Soll der alte Friedhof nach seiner Umgestaltung noch als solcher erkennbar sein?

Soll der alte Friedhof Nieder-Roden nach seiner Umgestaltung noch als solcher erkennbar sein? Oder soll er den Charakter einer reinen Grünanlage bekommen, bei der nichts mehr auf den ursprünglichen Zweck hindeutet? Die Meinungen darüber gingen bei der Bürgerbeteiligung weit auseinander.
Nieder-Roden – Die Zukunft ihres ehemaligen Friedhofs bewegt bei Nieder-Röder. 70, vielleicht auch 80 von ihnen – Alteingesessene ebenso wie neu Zugezogene – steuerten 137 Vorschläge bei, wie das knapp 4 000 Quadratmeter große Gelände aussehen könnte.
Bei sogenannten Charrette-Verfahren durften die Bürger am Freitagnachmittag vor sich hin phantasieren. Im guten Sinne, denn sie mussten weder Kosten- noch Zeitpläne oder andere Vorgaben beachten. Heraus kam ein vielfältiges, teil widersprüchliches Kaleidoskop an Ideen.
„Die Leute finden Bäume und Vogelgezwitscher toll“, hatte Stadtsprecherin Sabine Hooke nach zweieinhalb Stunden als erstes Fazit ausgemacht. Die Pinnwände reichten kaum für die bunten Zettel, auf denen Wünsche wie Bienenweiden, Kräuterspirale, Themengarten, Obstbäume, Hochbeete oder Barfußpfad, vor allem aber die Forderung nach mehr Sitzbänken standen. Ob die Notiz „Regelmäßige Pflege, Bäume gießen“ ein Hilfsangebot oder ein Arbeitsauftrag an den städtischen Grüntrupp war, ließ sich aus diesen dürren Worten aber nicht erkennen.
Höchst aufschlussreich war auch, was alle engagierten Nieder-Röder auf ihrem einstigen Friedhof nicht wollten: Outdoor-Fitnessgeräte, Bocciabahn, Wasserspiele, Kletterfelsen. Der Ort, der etliche Jahre ein Ort der letzten Ruhe war, soll offenbar ein Ort der Ruhe werden. Dazu gehören nach Ansicht von Walter Krause unbedingt auch Hundeverbotsschilder.
Krause ist Haustechniker des benachbarten Johanniter-Quartiers und brachte eine Forderung ins Gespräch, die Streit garantieren dürfte: Weg mit den letzten Grabsteinen an der nördlichen Mauer. Manche Bewohner fühlen sich offenbar zu sehr an den Tod erinnert.
Krauses Chef, Dr. Karsten Falk, will ein anderes friedhofstypisches Element der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen. Das 1911 gebaute Torhaus könnte seiner Meinung nach zum wettergeschützten Treffpunkt werden. Voraussetzung: Morgens dürfen dort keine Partyreste rumliegen.
Auf dem alten Friedhof tummelt sich nachts feierfreudiges Volk, dem die Öffnungszeiten der Nieder-Röder Kneipen offenbar nicht lang genug sind. Etliche Charrette-Teilnehmer, darunter Günther Keller vom Arbeitskreis Heimatkunde, machten sich für einen zweiten Eingang zu Büchnerstraße hin stark: Es sei nicht jedermanns Sache, sich im Dunkeln an einer Gruppe junger Leute vorbeizuschlängeln. Und bequemer ist ein weiterer Zugang ohnehin.
Die Wege, so Keller, müssten auf jeden Fall so befestigt werden, dass Rollstuhlfahrer, Rollatornutzer oder Gehbehinderte ohne Hilfsmittel problemlos durch die Anlage bummeln können.
Für den Vorsitzenden der Nieder-Röder Heimatkundler ist eines klar: „Der alte Friedhof muss im Namen erhalten bleiben!“ Bezeichnungen wie „Rodgau-Park“ lehnt er ab. Nichts zu rütteln gibt es nach Ansicht von Günther Keller und etlichen Nieder-Rödern an den Grabsteinen. Die hat der Arbeitskreis Heimatkunde gerettet und an der Mauer aufstellen lassen, nachdem auf dem Friedhof schon lange niemand mehr bestattet wurde. Diese Denkmäler müssen bleiben, lautet Kellers zentrale Forderung.
Genauso wichtig ist ihm, dass die Anlage in städtischer Hand bleibt und kein privater Investor Einfluss auf die Gestaltung des alten Friedhofs nimmt. Auch da hat Günther Keller – wie schon bei den Grabsteinen – die Johanniter im Blick.
Von Michael Löw