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Ohrstöpsel fürs Publikum in Nieder-Roden

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„Highland Cathedral“ mit den „Kirkside Pipes & Drums“ und mit dem von Angela Groh dirigierten „Klangfarben“-Orchester im Hintergrund.
„Highland Cathedral“ mit den „Kirkside Pipes & Drums“ und mit dem von Angela Groh dirigierten „Klangfarben“-Orchester im Hintergrund. © Mecora

Das nachgeholte Jahreskonzert 2022 des „Klangfarben“-Orchesters des Musikvereins Nieder-Roden am Samstag im Bürgerhaus hätte ein paar mehr Besucher vertragen können – und verdient gehabt.

Nieder-Roden – Denn das Erwachsenen- und Wiedereinsteiger-Ensemble ist ein hörenswertes. Es steckt in seine Motto-Auftritte stets eine Menge, wie man heute sagt, Content rein. Diesmal war es ein „Straßenkonzert“. Heißt, es ging um berühmte Straßen. Vor der Bühne standen 30 Notenständer mit Abbildungen von Straßennamen und Straßenschildern.

Als sich der Vorhang öffnete, wurde der Blick frei auf eine hell erleuchtete, strahlende Bühne mit bunt gekleideten Musikern. Durchaus ein Hinweis auf den Frühling. Ebenso erwies sich durchgängig der Sound von „Klangfarben“: hell, transparent, mitunter, im hohen Register, etwas überbelichtet sogar. Bei dem Rodgauer Orchester geht es nicht nur um Klang, sondern fast immer auch um Farbe(n). Diesmal hatten Jugendliche von „KULTinklusive“ in einem städtisch geförderten Workshop des Frankfurter Künstlers Simon Jung Graffiti-Werke zum Thema „Straßen“ gestaltet, die, wie der Vereinsvorstand sagt, „auch das Bühnenbild zu etwas Besonderem machten“.

„KULTinklusive“ ist die 2015 gegründete Kulturakademie des Rodgauer Vereins „Gemeinsam mit Behinderten“, die Inklusion in kultureller Bildung ermöglicht. Die im Foyer auf- und ausgestellten hochformatigen Bilder konnten nicht gekauft, sondern einfach mitgenommen werden. Allerdings erbat man sich pro Bild eine Mindestspende von 30 Euro. Nach oben war keine Grenze gesetzt. Nach der Pause waren fünf der zwölf Werke „verkauft“.

Ebenso etwas Besonderes und im Bürgerhaus wohl Erstmaliges: die Gäste von „Klangfarben“. „Kirkside Pipes & Drums“, eine Handvoll Dudelsack-Bläser aus dem Spessart, mit „Klangfarben“-Maestra 2, Yvonne Büttner, als Trommlerin. Jetzt verstand man, warum zu Konzertbeginn auf jedem Platz Ohrstöpsel lagen. Dudelsäcke entwickeln eine Phonstärke, die einer Rockband nahekommt. Und wenn man solche Gäste hat, dann muss man mit ihnen „Highland Cathedral“ spielen. Was die Nieder-Röder auch taten, dirigiert von „Klangfarben“-Maestra 1 Angela Groh. Das Ergebnis: erhebend. Wenngleich man sich für eine umwerfende Monumentalität der Interpretation gewünscht hätte, dass die Gastgeber sich nicht nur vornehm begleitend zurückgehalten, sondern beherzt dagegen gehalten hätten. Geschadet hätte es nicht. Es hatten ja alle Stöpsel in den Ohren.

Vom Fleck weg hochqualitativ waren die „Klangfarben“ in ihr Konzert eingestiegen. Schwungvoll, ja schmissig mit „Les Champs-Elysées“, ihrer zweitbesten Darbietung des Abends. Intensiv dirigiert von Angela Groh. Sie toppte das noch mit dem Ray-Charles-Klassiker „Hit The Road Jack“, dem musikalischen Überflieger des Konzerts. Einen „Bravo“-Ruf aus dem Auditorium erntete Yvonne Büttner mit ihrer Aufführung des Siegfried-Rundel-Marsches „Ins Land hinaus“. Und die weiteren interpretatorischen Preziosen: allesamt in der ersten Hälfte und von Yvonne Büttner mit viel Übersicht geleitet.

Das waren Jacob de Haans „La Storia“, Friedrich Smetanas „Die Moldau“ sowie Gerry Raffertys „Baker Street“, mit den Solisten Karin Kotzan, Saxophon, Daniel Burkhardt, Trompete, und Thomas Krause, kleine Tuba. Die Zugabe: Gäste und Gastgeber gemeinsam mit „Amazing Grace“. Und bei seinem Auszug intonierte das vom Publikum begeistert beklatschte Sextett „Kirkside Pipes & Drums“ fröhlich „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“. Durch das Programm und den Abend hatten die beiden Dirigentinnen sowie eine Handvoll Musikerinnen charmant und launig geführt.

Das „Klangfarben“-Dirigat teilen sich Fagottistin und Saxophonistin Angela Groh und, hier zu sehen, Schlagzeugerin und Flötistin Yvonne Büttner.
Das „Klangfarben“-Dirigat teilen sich Fagottistin und Saxophonistin Angela Groh und, hier zu sehen, Schlagzeugerin und Flötistin Yvonne Büttner. © mecora

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