Rechtsanspruch auf Schulbetreuung: Allein in Rodgau fehlen 627 Plätze

Ab August 2026 haben Grundschulkinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Im Kreis Offenbach fehlen dann voraussichtlich fast 4 000 Plätze, davon allein 627 in Rodgau. Die Stadt Rodgau fordert den Kreis auf, gemeinsam möglichst rasch eine Ausbaustrategie zu entwickeln.
Rodgau - Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt ein „Bericht zum Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter“, den der Fachdienst Schule des Kreises Offenbach am Nikolaustag 2021 vorlegte. Demnach müssen alle Städte und Gemeinden in den nächsten viereinhalb Jahren zusätzliche Betreuungsplätze schaffen. An der Spitze: Rödermark (718 fehlende Plätze), Rodgau als größte Stadt des Kreises (627) und Neu-Isenburg (559).
Der Bericht des Kreises sei „ein Weckruf“, sagt Erster Stadtrat Michael Schüßler. Der Rechtsanspruch trete schon in viereinhalb Jahren in Kraft. Es gelte die Zeit zu nutzen, um die notwendigen Gebäude zu planen und zu bauen.
Sozialdezernent Schüßler verweist auf die Erfahrungen mit dem Anspruch auf Betreuung für Kleinkinder (U 3), der seit 2013 gilt: „Ich weiß, dass wir achteinhalb Jahre später immer immer noch kämpfen, diesem Rechtsanspruch gerecht zu werden.“
Die Stadt Rodgau habe in den vergangenen Jahren viel Geld und Energie in den Bau neuer Kindertagesstätten gesteckt. In einigen Fällen habe sich der Magistrat Kritik zugezogen, weil er bereit war, mehr Geld für ein Grundstück auszugeben, um Zeit zu gewinnen. Jetzt stehe ein weiterer Kraftakt bevor. Er könne nur gemeinsam gelingen: „Wir reden hier über Baumaßnahmen an Schulen.“ Und Schulträger sei nun mal der Kreis Offenbach.
„Wir werden mindestens in den nächsten fünf Jahren steigende Schülerzahlen in den Grundschulen haben, weil diese Kinder schon geboren sind“, betont der Sozialdezernent.
Der Ausbau der Schulstandorte in Rodgau erfolge zu zögerlich und dauere zu lange, kritisiert Schüßler: „Wenn wir es noch vier Jahre so weiter machen, dann wird es nicht funktionieren.“ Als Beispiel nennt er die Raumnot in der Münchhausenschule. Bereits im März 2018 habe die Stadt dem Schulträger mitgeteilt, die Schülerzahlen würden „ab sofort anwachsen“ und eine schnelle Planung sei nötig. Vier Jahre später werde das Gebäude nun um einige Räume aufgestockt. Für die Betreuung werde damit aber noch kein Durchbruch erzielt.
Das bestätigt Nicole Westenburger von der Spielraum gGmbH. Das gemeinnützige Unternehmen organisiert die Betreuung an drei der sechs Rodgauer Grundschulen. „Die Münchhausenschule ist an der Grenze. Mit den neuen Räumen können wir ab Mai 200 Kinder betreuen. Die Plätze sind alle schon weg.“
Auch in der Schule am Bürgerhaus Nieder-Roden sei der Bedarf weit größer als das Angebot. Die 150 Plätze dort reichten nicht einmal für alle Kinder aus, bei denen beide Eltern erwerbstätig sind. Andere Kinder, die aus sozialen Gründen auf die Betreuung angewiesen seien, könnten nicht berücksichtigt werden. „Das tut uns in der Seele weh“, so Nicole Westenburger: „Wir wollen Bildungsgerechtigkeit. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die Hausaufgaben in Ruhe zu erledigen und unterschiedliche Spielpartner zu haben.“
Beim Ausbau der Schulbetreuung seien nicht nur die Räume wichtig, sondern auch die Anzahl der Betreuungskräfte, betont die Geschäftsführerin der Spielraum gGmbH. Beim Landesprogramm „Pakt für den Nachmittag“ sei es sinnvoll, auf den bewährten Strukturen aufzubauen: „Wir sind bereit, uns einzubringen. Jetzt fehlt nur noch die Klarheit, dass die Gelder an uns weitergegeben werden.“
Der Nachholbedarf bei der Schulkinderbetreuung ist nicht nur ein Rodgauer Problem. Die anderen Städte und Gemeinden stehen vor der gleichen Herausforderung. „Wir sind dem Bevölkerungswachstum im Kreis Offenbach schlicht und einfach nicht gewachsen“, sagt Erster Stadtrat Michael Schüßler.
„Hier könnte eine kreisweite Ausbaustrategie helfen“, schlägt die Schulverwaltung des Kreises Offenbach vor. Bereits 2020 hatte der Kreis die Baukosten für die fehlenden Betreuungsräume auf 117 Millionen Euro geschätzt.
Statt Schulbezirksgrenzen zu verschieben, müsse der Kreis endlich Schulen bauen, fordern Bürgermeister Jürgen Hoffmann und Erster Stadtrat Michael Schüßler. Der Investitionsplan des Kreises Offenbach umfasse 267 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre. Davon entfielen nur 200 000 Euro auf Schulen in Rodgau, und zwar auf einen Anbau für die Verwaltung der Carl-Orff-Schule. Schüßler: „Die haben nicht mal einen Sanitätsraum.“
Für die geplante Mittelstufenschule in Dudenhofen stehen noch keine Mittel im Vierjahresplan des Kreises, obwohl der Grunderwerb bereits begonnen hat.

