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Corona-Krise: Künstlerischer Freiraum und finanzielle Sorgen

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Von: Ekkehard Wolf

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Das Summen der Bienen ist eines der vielen Naturgeräusche, die Bernd-Michael Land in seinem Projekt „Rodgau Field“ verarbeitet.
Das Summen der Bienen ist eines der vielen Naturgeräusche, die Bernd-Michael Land in seinem Projekt „Rodgau Field“ verarbeitet. © Karin Wagner

Corona spielt dem Klangkünstler Bernd-Michael Land aus Rodgau in die Hände. Noch nie war es so still wie in der Lockdown-Zeit. Er nutzte die Phase der Ausgangsbeschränkung für Tonaufnahmen in der Natur.

Hainhausen – „Nie zuvor ließen sich hier Tiere und Naturgeräusche ohne jeglichen störenden Fluglärm aufzeichnen“, berichtet er. Um die Vogelrufe in den Krähenbäumen von Dudenhofen aufzuzeichnen, opferte er gern eine Nacht.

Ein akustisches Porträt der Stadt Rodgau

Diese Geräusche benötigt der Musiker für sein nächstes Klangkunstprojekt. Er will ein akustisches Porträt Rodgaus erstellen, das ihm zur Heimatstadt geworden ist: „Ich gehe diese Woche noch ins Studio und fange damit an.“

Seit 2018 sammelt Bernd-Michael Land Geräusche aus der Stadt und der Natur, zum Beispiel das Rascheln im Maisfeld und das Summen in den Bienenstöcken der Imkerin Karin Wagner. Solche Aufnahmen sind kein Kinderspiel, wie sich im Maisfeld zeigte: Erst gab es störende Geräusche von einer Baustelle in der Nähe und dann verhinderte ein nächtlicher Regen, dass die Blätter raschelten.

Fledermäuse und S-Bahn-Ansagen

Obwohl schon viele Klangschnipsel auf der Festplatte liegen, sind die Außenaufnahmen noch nicht ganz komplett. In der nächsten Zeit will der Klangkünstler unter anderem die Stationsansagen in der S-Bahn aufnehmen. Außerdem will er mit einem speziellen Gerät die Ultraschallrufe fliegender Fledermäuse hörbar machen. Das ergibt einen tollen Stereo-Effekt: „Man hört sie richtig fliegen.“

In seinem Projekt unter dem Titel „Rodgau Field“ verbindet der Künstler Geräusche und Musik. Dabei erstellt er keine akustische Collage, sondern geht darüber hinaus. Er bearbeitet die Außenaufnahmen mit elektronischen Effektprozessoren. Aus einem Geräusch kann so ein abstrakter Klang entstehen: irgendwie vertraut, aber nicht mehr eindeutig zuzuordnen.

Manchmal entsteht die Abstraktion bereits bei der Aufnahme – etwa wenn der Künstler die elektromagnetischen Felder einer vorbeifahrenden S-Bahn hörbar macht.

Corona-Krise belastet auch Musiker aus Rodgau

Auch wenn die Covid-19-Pandemie für Tonaufnahmen in der Natur vorteilhaft ist, überwiegen die Nachteile. Da geht es Bernd-Michael Land wie den meisten anderen Musikern auch: Mit abgesagten Konzerten fehlt die wichtigste Einnahmequelle. Staatliche Finanzhilfen sind auf die Situation der frei schaffenden Künstler nicht immer zugeschnitten. Der Klangkünstler aus Hainhausen hat bisher keine staatliche Hilfe in Anspruch genommen. Die Gelder waren entweder an feste Engagements oder an eine Versicherung in der Künstlersozialkasse geknüpft; beides kann er nicht vorweisen.

Bernd-Michael Land baut auf die Unterstützung der Öffentlichkeit und seiner Fans: „Wem die Erhaltung meiner Kunst am Herzen liegt und wer elektronische Musik mag, kann gerne eines meiner Alben als CD bestellen.“

Ganz neu ist das New-Age-Album „Slowing World“, das unter anderem Meeresgeräusche von der Insel Sizilien enthält. „Die ersten Vorbestellungen hatte ich schon vier Wochen, bevor die CD fertig war“, berichtet Land.

Zurzeit entsteht eine DVD, die ein Ereignis der Frankfurter Luminale 2020 nacherleben lässt: das Klangkunstwerk „Hyperreale Reflexion – 4th Movement“ zum Thema Industrieromantik mit einer Videoanimation von Klaus Jahn. „In dieser Videoanimation stecken sieben Monate Arbeit“, erzählt Bernd-Michael Land. „Leider durften wir von vier Konzerten nur zwei spielen.“ Auch das war eine Folge der Corona-Pandemie.

(Von Ekkehard Wolf)

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