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Hessen will Spuck- und Lolli-Tests nicht mehr zahlen – Betreiber verärgert

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Von: Ekkehard Wolf

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Kein Verständnis für den hessischen Sonderweg bei Spuck- und Lollitests hat Philipp Klein von der Betreiberfirma des Testzentrums auf dem Selgros-Parkplatz in Weiskirchen. Der Schriftwechsel mit Behörden und Landesregierung füllt einen halben Ordner.
Kein Verständnis für den hessischen Sonderweg bei Spuck- und Lollitests hat Philipp Klein von der Betreiberfirma des Testzentrums auf dem Selgros-Parkplatz in Weiskirchen bei Rodgau. Der Schriftwechsel mit Behörden und Landesregierung füllt einen halben Ordner. © Wolf

Das Land Hessen will Spuck- und Lolli-Tests für das Testzentrum in Rodgau nicht mehr finanzieren. Das sorgt für viel Ärger.

Weiskirchen – Das Corona-Testzentrum auf dem Selgros-Parkplatz in Weiskirchen kann seine sanften Testmethoden nicht mehr kostenlos anbieten. Nach Angaben des hessischen Sozialministeriums dürfen die Betreiber ihre Spuck- und Lollitests nicht mehr als Bürgertest abrechnen.

Das Testzentrum hat deshalb vor einigen Tagen auf Abstriche aus der Nase umgestellt. Wer lieber spucken oder lutschen will, muss zehn Euro bezahlen.

Aus für Finanzierung von sanften Corona-Tests in Rodgau: „Wir sind aus allen Wolken gefallen“

Der Stopp der Spuck- und Lollitests kam überraschend. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, berichtet Philipp Klein, der für die Ingenium Labs GmbH (Frankfurt) als Projektmanager arbeitet. Seit April unterstütze das Testzentrum den Staat erfolgreich bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie: „Die Gesundheitsämter haben Kleinkinder und Menschen mit Behinderung zu uns geschickt. Die Kunden kamen aus einem Umkreis von 100 Kilometern, um sich hier testen zu lassen.“ Für viele Behinderte sei der Lollitest die einzige Möglichkeit, um das Probematerial für einen Corona-Test zu gewinnen. Es sei unsinnig, wenn der Staat diese Testform nun nicht mehr finanziere.

Das Sozialministerium in Wiesbaden beruft sich auf die Coronavirus-Testverordnung des Bundes. Demnach würden Kosten nur erstattet, wenn Mitarbeiter der Testzentren die Proben entnähmen. Beim Spucktest hingegen gebe jeder Proband seine Probe selbst ab.

Zahl der Kunden im Corona-Testzentrum in Rodgau eingebrochen

„Diesen Satz gibt es in der Testverordnung gar nicht“, entgegnet Philipp Klein. Seit einer Woche versucht er, die Sachlage zu klären. Einfach ist das nicht: „Wir bekommen die widersprüchlichsten Aussagen. Jeder Mitarbeiter schreibt gefühlt etwas anderes.“ Hinzu kommt, dass sich die Vorschriften immer wieder ändern. Ein Beispiel: Als medizinisches Labor musste Ingenium im April seinen Betrieb zunächst nur anmelden.

Mitte August hieß es plötzlich, die Testzentren in Weiskirchen und Babenhausen bräuchten nun doch eine „Beauftragung“ des Gesundheitsamtes. Das ist nicht nur eine Formsache. Durch das Hin und Her konnte das Labor seit Juli keine Kostenerstattung anmelden. Seit fast drei Monaten arbeiten beide Testzentren, ohne dafür Geld zu bekommen.

Seit dem Stopp der Spuck- und Lollitests ist die Zahl der Kunden eingebrochen. Das sieht man werktags zwischen 16 und 18 Uhr. Statt der üblichen Autoschlangen steuern nur einzelne Fahrzeuge die Drive-in-Zelte an. Auch an den Wochenenden hat der Besuch stark nachgelassen – allein am Sonntag um mehr als 50 Prozent. Dabei wäre es laut Philipp Klein gerade jetzt wichtig, Kinder auf das Corona-Virus zu testen: „In Kitas und Schulen gehen die Zahlen durch die Decke.“

Corona in Hessen: Harsche Kritik nach Aus für Finanzierung von Spuck- und Lolli-Tests

Das Verdikt aus Wiesbaden betrifft zahlreiche Testeinrichtungen in Hessen. Laut Internetportal corona-test-hessen.de sind es mehr als 50.

Das Ministerium von Kai Klose (Grüne) steht mit seiner Haltung ziemlich allein da. In anderen Bundesländern werden Spuck- und Lollitests weiterhin bezahlt. FDP-Landtagsfraktionsvorsitzender René Rock spricht von einem „hessischen Sonderweg“, den es zu beenden gelte. Er rügt: „Wieder einmal geht in der Corona-Pandemie eine Entscheidung der Landesregierung zulasten von Kindern.“

Für behinderte Menschen bieten die Weiskircher den Lollitest weiterhin gratis an. Die Kosten trägt das Testzentrum selbst. (Ekkehard Wolf)

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