Stadtbrandinspektor über Feuerwehrarbeit: „Die seelische Belastung ist riesengroß“

Der Rodgauer Stadtbrandinspektor Oliver Meyer über die Schwierigkeiten bei der Waldbrandbekämpfung und was er sich von seinen Mitbürgern wünscht.
Rodgau - Die 190 Einsatzkräfte der Feuerwehr Rodgau sind seit Tagen stark gefordert, besonders durch Wald- und Wiesenbrände. Und das nicht nur in der eigenen Stadt. Ob Hainstadt, Heusenstamm oder Münster – überall sind auch Feuerwehrleute aus Rodgau dabei. Das größte Rodgauer Tanklöschfahrzeug ist in Münster seit Samstagmittag ununterbrochen im Einsatz, Fahrer und Beifahrer werden alle fünf Stunden ausgetauscht.

Stadtbrandinspektor Oliver Meyer spricht im Interview über die Belastungen, die solche Einsätze mit sich bringen.
Bekommen Sie alle eigentlich noch genug Schlaf?
Ich denke schon. Wir haben keine negative Rückmeldung von den Wehrführungen und den Einsatzkräften.
Wie groß ist die körperliche Belastung bei einem Waldbrand oder Flächenbrand?
Das ist Hochleistungssport in kürzester Zeit für Körper, Seele und Geist. Da ist zum Einen die körperliche Anstrengung. Schon bei der Alarmierung wird Adrenalin ausgeschüttet. An der Einsatzstelle muss man schwere Schläuche ausrollen, Strahlrohre ankuppeln und große Wassermassen ausbringen. Wer am Strahlrohr steht, hat das Gewicht des vollen Schlauchs auf der Schulter und muss die ganze Zeit den Rückschlagdruck aushalten. Dazu kommt das unwegsame Gelände. Mit der vollen Montur in den Wald hineinzugehen, das ist wie Crosslauf. Die ganze Situation und vor allem die Hitze muss man erst mal geistig verarbeiten – wie am Sonntag in Rollwald, als das Feuer mal kurzzeitig über die Rodgau-Ringstraße geschlagen ist. Es ist auch eine seelische Belastung, die Schäden an Natur und Umwelt zu sehen.
Die Hochsommerhitze macht es sicher besonders anstrengend. Wie gehen Sie damit um?
Je nach Lage fangen wir frühzeitig mit der sogenannten Marscherleichterung an. Das heißt: Wenn es die Situation erlaubt, können wir die dicken Jacken oder den Helm ablegen. Im Wald ist das natürlich nicht möglich. Eine weitere Maßnahme ist der Austausch der Kräfte, damit sie sich erholen können. Und dann heißt es natürlich: viel trinken. Wir als Feuerwehr sind in letzter Zeit ein Großabnehmer an Wasser und Apfelsaftschorle geworden. Außerdem gibt es viele Familienangehörige, die ihre Vorräte an Wassereis an die Einsatzstelle bringen. Das ist herzergreifend.
Waldbrand: Das klingt gefährlich. Wie viel Angst haben Partnerinnen, Partner und Familienangehörige um die Einsatzkräfte?
Die seelische Belastung ist riesengroß. Teilweise werden Einsatzkräfte sogar aus Familienfeiern heraus zum Einsatz gerufen. Meldungen wie aus Münster, dass ein Fahrzeug aufgegeben werden musste und sich die Besatzung rennend retten musste, sind natürlich eine Belastung. Es gibt Hilfsangebote für die Seele, die auch Familienangehörige in Anspruch nehmen können.
Viele ehrenamtliche Feuerwehrleute arbeiten auswärts. Sind auch tagsüber genügend Einsatzkräfte in Rodgau verfügbar?
Ja. Jetzt, in der Ferienzeit, alarmieren wir je nach Lage mehrere Standorte gleichzeitig. Tagsüber sind unsere hauptamtlichen Gerätewarte eine wertvolle Unterstützung. Sollte es zu Engpässen kommen, werden die Feuerwehren aus Nachbarkommunen mit alarmiert. Jeder hilft, wie er kann. Das sieht man gerade jetzt in Münster.
Haben Arbeitgeber immer Verständnis dafür, wenn ihre Mitarbeiter während der Arbeitszeit zu Feuerwehreinsätzen gerufen werden?
Das ist schwierig. Es kommt nicht nur auf den Arbeitgeber an, sondern auch auf den Beruf. Ein Kundendienstmonteur zum Beispiel kann nicht einfach seinen Arbeitsort verlassen. Die Kunden würden das nicht verstehen. Wir danken allen Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitern für Einsätze freigeben.
Manche Brände werden durch vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung aufgelöst. Macht sich manchmal Wut auf die Verursacher breit?
Natürlich. Es ist ärgerlich, wenn man wegen vermeidbarer Dinge aus seinem Alltag herausgerissen wird. Aber das müssen wir ausblenden. Gott sei Dank sind wir von Brandstiftungen wie in Heusenstamm oder Hainstadt bisher verschont geblieben.
Zurzeit ist die Brandgefahr in der Natur extrem hoch. Was wünschen Sie sich von Ihren Mitbürgern?
Ich wünsche mir: Lasst das Rauchen beim Spazierengehen oder beim Gassigehen sein! Wer Anzeichen für einen Brand entdeckt, sollte sofort die 112 anrufen. Außerdem ist es sinnvoll, lokale Meldungen zu beachten, das heißt Katwarnoder die Hessenwarn-App zu installieren. Eine große Bitte ist, die Einsätze nicht zu behindern. Das heißt: an die Seite fahren, wenn ein Fahrzeug mit Blaulicht kommt. Auch Fußgänger und Fahrradfahrer sollten Absperrungen einhalten und ihre Neugier ein bisschen nach hinten stellen.
Was liegt Ihnen noch am Herzen?
Ein großes Dankeschön an unsere Hauptamtlichen, an unsere ehrenamtlichen Einsatzkräfte, an ihre Familien und Arbeitgeber. Danke!