Kampf gegen Altlast: Stadt Rodgau schwärzt Regierungspräsidium an

Die Stadt Rodgau sucht im Kampf gegen die Altlast auf dem Gelände der 2015 stillgelegten Rußfabrik neue Verbündete.
Rodgau-Hainhausen – In einem Brief bittet Bürgermeister Jürgen Hoffmann das hessische Umweltministerium darum, sich der Angelegenheit der stillgelegten Rußbude anzunehmen, damit weiterer Schaden verhindert werden könne. In dem Schreiben drückt der Rathaus-Chef die Sorge des Magistrats aus, dass es mit den Jahren immer schwerer werde, verantwortliche Firmen zu greifen und haftbar zu machen.
Rodgau: Stilllegung der Rußfabrik - Strategie des Hinhaltens und Verschleierns
Hoffmann beschreibt eine Strategie des Hinhaltens und Verschleierns: Schon kurz vor Stilllegung der Rußbude sei das erheblich verunreinigte Grundstück an der Nahtstelle Jügesheim/Hainhausen an eine Grundstücks- und Immobilien-GmbH übertragen worden, deren einziger Zweck das Verwalten des Areals sei. Diese GmbH sei mit lediglich fünf Millionen Euro Kapital ausgestattet worden. Gemäß einem Gutachten würde eine Sanierung der Altlast aber weit mehr als zehn Millionen Euro kosten. Ebenfalls kurz vor Stilllegung sei die langjährige Betreiberfirma der Rußfabrik, die den Umweltschaden verursacht hat, an einen amerikanischen Chemiekonzern verkauft worden.
Dieser habe dann 2019 die ehemalige Betreiberfirma umfirmiert. Der Verwaltungs-Chef warnt davor, dass die Verantwortlichen durch „gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen immer schwerer greifbar werden“. Es dürfe folglich keine Zeit mehr vertan werden mit halbherzigen Sanierungsversuchen. Wörtlich spricht Hoffmann von einem „taktischen Vorgehen zulasten der Öffentlichkeit und der Umwelt“. Dem müsse man mit „konsequentem bodenschutzrechtlichem Vorgehen“ begegnen. Schließlich sei „offensichtlich“ dass die Übertragung des Altlastengrundstücks an eine Grundstücks- und Immobiliengesellschaft bei gleichzeitigem Verkauf der Betreibergesellschaft in erster Linie dazu diene, das finanzielle Risiko der Altlastensanierung auf fünf Millionen Euro zu begrenzen und jegliches weitere Finanzrisiko in Millionenhöhe auf die öffentliche Hand „abzuwälzen“.
Rußfabrik in Rodgau: Kritik am Regierungspräsidium Darmstadt (RP)
Offen übt der Bürgermeister gegenüber dem Umweltministerium Kritik am Regierungspräsidium Darmstadt (RP) als der zuständigen Bodenschutzbehörde. Das RP nehme die Eigentümer-GmbH nur sehr zögerlich und die ehemalige Betreiberin der Rußfabrik bisher gar nicht in Anspruch, schwärzt er die Behörde an. Es bestehe die Gefahr, dass die ehemalige Betreiberin zu dem Zeitpunkt, an dem das Geld der Eigentümer-GmbH erschöpft ist, „nicht mehr auffindbar ist beziehungsweise bodenschutzrechtlich herangezogen werden kann“. Dann blieben die Stadt Rodgau und das Land Hessen auf Sanierungskosten in Millionenhöhe und einem nur teilsanierten, erheblichen Umweltschaden sitzen.
Hoffmann hatte das RP von seinem Brief an das Umweltministerium der guten Ordnung halber informiert. Er fordert unverzüglich die Aufstellung eines konkreten Sanierungsplans. Auch wünscht er, dass nicht mehr weiterhin nur das Grundwasser saniert wird, sondern endlich die Oberfläche bereinigt wird, aus der die Schadstoffe ins Erdreich schwemmen.
Rodgau: Grundwassersanierung läuft auf dem Gelände seit 1996
Auf Anfrage teilte das RP mit, es lägen seitens der Behörde keinerlei Versäumnisse vor. Das Umweltrecht sei nun mal zäh, sagte ein RP-Sprecher. Das RP werde der Stadt Rodgau Gesprächstermine anbieten und alle rechtliche Zusammenhänge und Schritte erläutern.
Eine Grundwassersanierung läuft auf dem Gelände seit 1996. Aus dem Boden gelangen krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe ins Grundwasser. Der letzte bekannte Wert sei mit 10 000 Mikrogramm pro Liter „um das Hunderttausendfache höher als der in der Trinkwasserverordnung festgelegte Höchstwert“, hatte die Fraktion von Zusammen mit Bürgern 2017 reklamiert. Mehr als 80 Jahre lang war in der Fabrik Flammruß für Lacke, Farben und zur Einfärbung von Beton produziert worden.
Von Bernhard Pelka
Umweltschutzingenieure eines Leverkusener Spezialunternehmens hatten im Sommer 2017 in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Darmstadt damit begonnen, das Schadstoffpotenzial auf dem Gelände der 2015 geschlossenen Rußfabrik zu erkunden.
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