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Schätze im Museums-Magazin

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Ein kleines Vermögen in der Kaiserzeit, heute nur noch von historischem Wert: Geldscheine, gedruckt und ausgegeben um 1910.
Ein kleines Vermögen in der Kaiserzeit, heute nur noch von historischem Wert: Geldscheine, gedruckt und ausgegeben um 1910. © Klemt, Karin

Das Tor zur Vergangenheit ist aus Stahl, stabil und feuersicher. Nur sehr selten bekommen Besucher den Schatz zu sehen, den der Heimat- und Geschichtsverein (HGV) Weiskirchen in einem schlichten Nebenbau des alten Spritzenhauses verwahrt. Nicht, dass Helmut Trageser und sein Vorstand Geheimnisse hätten – aber, so der Vorsitzende: „Um alles zu zeigen, haben wir einfach nicht genug Platz.“

Weiskirchen - Dabei wirken die Ausstellungsräume im Heimatmuseum, das der HGV akribisch pflegt und ständig weiter entwickelt, bereits dicht belegt, mit der Vielfalt der Exponate zudem inhalts- und abwechslungsreich. Immer wieder wandern einzelne, besonders interessante Stücke aus dem Magazin in die Ausstellung. Oder der Verein gestaltet aus der Reserve, die mit Keller- oder Dachbodenfunden, Entdeckungen bei Haushaltsauflösungen oder geräumten Altbauten ständig wächst, eine seiner Sonderausstellungen. Ein großer Erfolg war laut Trageser vor einigen Jahren eine Präsentation von Waagen und Gewichten, die ältesten davon aus dem späten 19. Jahrhundert.

Heute nehmen diese Exponate mehrere Regalbretter in einer Ecke des Lagerraums ein, den der HGV vor rund einem Jahrzehnt zu diesem Zweck errichtet hat – hauptsächlich in Eigenarbeit, wie der Vorsitzende betont. Zusammengebracht hatte die Waagen-Kollektion, zu der auch eine altertümliche Goldwaage gehört, laut Trageser in erster Linie sein früherer Vize Willi Winter, der auch für die Ordnung im Lager, Pflege und Erhaltung der Exponate verantwortlich ist. Wie viele Gegenstände der Bestand im Magazin aktuell umfasst, ist laut Trageser unmöglich zu sagen: „Es wird ständig mehr, obwohl wir aus Platzgründen viel ablehnen müssen.“

Ohne Feuerlöscheimer kein Wohnrecht im Dorf: Helmut Trageser mit einem Exemplar aus dem späten 19. Jahrhundert.
Ohne Feuerlöscheimer kein Wohnrecht im Dorf: Helmut Trageser mit einem Exemplar aus dem späten 19. Jahrhundert. © Klemt, Karin

Besonders oft mechanische Rechenmaschinen und Registrierkassen aus den 1950er und 60er Jahren, die mit der Digitalisierung massenweise ausgemustert werden und sich nicht weit von der Waagen-Sammlung förmlich stapeln. Alltagsgegenstände aus Geschäften und Haushalten sind laut Trageser die häufigsten Gaben von Menschen, die beim Auf- oder Ausräumen fündig geworden sind – nicht nur aus Weiskirchen übrigens, sondern aus allen Rodgauer Stadtteilen und der näheren Nachbarschaft. Küchen-Inventar von Besteck und Geschirr über Kaffeekannen, Töpfe und Pfannen bis zu altertümlichen Toastern kommt besonders häufig und wird, sofern ortsgeschichtlich typisch oder bedeutsam, auch angenommen. Der aktuelle Bestand an Bügeleisen reicht vom massiven eisernen Aufsetzer für den Kohleherd bis zum weinroten Bakelit-Klassiker aus den 60ern mit dem berühmt-berüchtigten Textilkabel.

Bisweilen bekommen die ehrenamtlichen Heimatpfleger freilich auch wahre Schätze zu sehen – eine französische Original-Landkarte der Rheinbund-Staaten aus der Napoleonzeit etwa, die über Jahrzehnte in einem Rodgauer Wohnzimmer hing. Ein Apfelwein-Fass, handgefertigt 1890 für das Gasthaus Grüner Baum, das über Generationen von Helmut Tragesers Familie bewirtschaftet wurde. Oder der Miniatur-Nachbau einer Backstube, der wohl um 1960 entstand – ob nach lokalem Vorbild, ist nicht bekannt.

Das Dorf Weiskirchen ist auf dieser französischen Karte aus dem frühen 19. Jahrhundert nicht leicht zu finden. Sie zeigt die Rheinbund-Staaten unter der Herrschaft Napoleons.
Das Dorf Weiskirchen ist auf dieser französischen Karte aus dem frühen 19. Jahrhundert nicht leicht zu finden. Sie zeigt die Rheinbund-Staaten unter der Herrschaft Napoleons. © Klemt, Karin

Zumindest nostalgischen Wert hat eine Sammlung von Ortsschildern, die vor der Gebietsreform die Einfahrten zu den damaligen Dörfern und heutigen Rodgau-Stadtteilen markierten. Lebendige Geschichte scheint in den Feuerlöscheimern zu schwappen, deren Besitz im 19. und frühen 20. Jahrhundert Pflicht jedes Ortsbürgers war. An jene alten Zeiten, da viele Weiskircher Familien noch eine „Wutz“ im eigenen Stall stehen hatten, erinnert die Schlacht-Ausrüstung aus Messing und Zinkblech, einschließlich Vorrichtung zum „Worschtstoppe“ von Hand. In einer massiven Schatztruhe, einst das Gesellenstück eines Kunstschreiners, ruhen Münzen und bündelweise Geldscheine aus der Kaiserzeit.

Zu sehen bekommen Museumsbesucher solche Kostbarkeiten, wenn sie zu einem Ausstellungsprojekt passen oder ein neues Thema in die Dauerpräsentation aufgenommen wird. Unter anderem kann der Verein laut Helmut Trageser dafür auf Lagerbestände unter dem Dach des Spritzenhauses und im ehemaligen Gemeindearchiv im Bürgerhaus zurückgreifen. Zentraler und wichtigster Aufbewahrungsort sei freilich das eigens zu diesem Zweck gebaute Magazin – nicht nur wegen der ständig überwachten Temperatur und Luftfeuchtigkeit dort: Mit soliden Schlössern und Alarmanlage biete das Gebäude auch die nötige Sicherheit.  (zrk)

Serie „Verborgene Orte“

In dieser Serie blicken wir hinter die Kulissen und stellen Orte vor, die normalerweise kaum jemand betritt. Anregungen nimmt die Redaktion unter rodgau@op-online.de entgegen. In der nächsten Folge geht es um das Gebäude des ehemaligen Mittelwellensenders Weiskirchen.

So oder ähnlich sah es noch um 1960 in einer Backstube aus. Das Modell, etwa so groß wie ein zeitgenössischer Fernsehapparat, zählt zu den besonderen Stücken im Museumsmagazin.
So oder ähnlich sah es noch um 1960 in einer Backstube aus. Das Modell, etwa so groß wie ein zeitgenössischer Fernsehapparat, zählt zu den besonderen Stücken im Museumsmagazin. © Karin Klemt

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