Schulsozialarbeit ist täglich neu

In einer Serie „90 Minuten mit...“ begleiten unsere Reporter Menschen in ihrem beruflichen Alltag. Heute: Schulsozialarbeiterin Bettina Schubert in Rodgau.
Nieder-Roden – Noch ist es ruhig im Spieleraum der Heinrich-Böll-Schule. Zwei Jungen spielen am Tischkicker, zwei andere sehen zu und kauen dabei ihr Frühstücksbrot.
Ein paar Augenblicke später ist der Raum mit 30 Schülern bevölkert. An einem Vierertisch unterhalten sich drei Mädchen. Nebenan sind zwei Jungen in ein Brettspiel vertieft. Als Erstes sind die beiden Sofagruppen besetzt: Kaum haben sich die Schulabgänger verabschiedet, sichert sich der nächste Jahrgang sein Terrain fürs nächste Schuljahr.
Eine Liste mit Verhaltensregeln an der Wand sucht man vergebens. „Wir leben das“, sagt Schulsozialarbeiterin Bettina Schubert. Im Spieleraum ist jeder willkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft: „Sie sind einfach hier zusammen. Die Kinder haben damit kein Problem.“
Plötzlich fliegt ein Sofakissen durch den Raum. Zwei Sekunden später steht die Sozialarbeiterin vor dem Jungen, der es geworfen hat: „Jetzt zeig’ mal, wie du ihr das Kissen geben wolltest.“ Die Autorität wirkt: Der junge Mann geht auf die Mitschülerin zu und überreicht ihr das Kissen.
Kein Vorwurf, keine Zurechtweisung, aber auch kein Wegsehen bei Regelverstößen: „Wir sind eine Hinguckschule“, sagt Bettina Schubert. Das kann man durchaus wörtlich nehmen: Sie hat ihre Augen überall, kriegt alles mit und ist mit jeder Faser präsent.
Schulsozialarbeit ist jeden Tag neu. Jeder Moment kann etwas Neues bringen: Glücksmomente und Liebeskummer, Konflikte in der Klasse oder Sorgen in der Familie. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Bettina Schubert. Ihr Job ist so bunt und so vielseitig wie das Leben. Dazu gehören auch die Schattenseiten des Lebens. Ein Beispiel: Mit Herzblut betreut sie Eltern, die in unverschuldeten Notlagen sind.
„Ich bin überrascht von der Vielfalt und ich genieße die Erfahrung von Frau Schubert“, sagt Christian Riemenschneider, der sich seit Juni als Nachfolger einarbeitet: „Es ist ein sehr spannendes Arbeitsfeld.“ Ein Schultag kann zum Beispiel damit beginnen, dass ein Schüler nur mal kurz vorbeischaut: „Wenn jemand nur mal Hallo sagen will, dann hat man 20 Minuten später ein ernsthaftes Gespräch.“
Ein großer Teil der Arbeit findet ohne Zuschauer statt: Beratung und Einzelfallhilfe für Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Manchmal ist es mit einem Gespräch getan, andere Fälle erfordern monatelange Begleitung.
Einen festen Platz im Wochenplan hat das „soziale Lernen“ in den fünften Klassen. Heute kommt die Klasse 5 b. Kurz vor Schuljahresende, steht eine anspruchsvolle Übung auf dem Programm. Eine Gruppe von zehn Kindern muss einen „reißenden Fluss“ überqueren, hat aber nur zehn kurze „Baumstämme“ zur Verfügung. Die Regeln sind einfach: Alle müssen gemeinsam das rettende Ufer erreichen und auf jedem „Baumstamm“ muss immer mindestens ein Fuß stehen, sonst schwimmt er weg. Vor allem die zweite Regel ist schwieriger als gedacht. Ein winziger Moment der Unachtsamkeit und schon wird es eng. Am Ende kommt eine der Gruppen nur noch mit drei Holzstücken an. Die 45 Minuten sind mal wieder viel zu schnell vorbei. „Jede Stunde hat Spaß gemacht“, fasst ein Schüler zusammen. Für Klassenlehrerin Stephanie Reefschläger ist die wöchentliche Stunde „Soziales Lernen“ eine wertvolle Ergänzung zum Unterricht: „Es ist jedes Mal ein Vergnügen, wie es sich entwickelt. Da puzzelt sich was zusammen. Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil an der Schule.“ (Ekkehard Wolf)
