Sie kann gut rutschen

Schokolade im Adventskalender ist normal, klitzekleine Überraschungen für alle 24 Tage sind auch nicht ungewöhnlich. Doch bei wem verbirgt sich hinter dem Kalendertürchen schon eine warme Dusche?
Dudenhofen – In der städtischen Kindertagesstätte 3 in Dudenhofen Am Rückersgraben freuen sich während des Advents täglich zwei Kinder über eine originelle Aktion. Erzieherin Sonia Comesaña hat die hübsche Idee von einer Fortbildung mitgebracht, weil sie ihr so gut gefallen hat. In diesen Tagen werden nun immer zwei Namen ausgelost. Helena und Stella waren gestern dran.
Heute sitzen 19 Mädchen und Jungen gemütlich im Stuhlkreis beisammen. Alle Kinder sind aufgefordert, reihum etwas Positives über Ewin zu sagen. Mit der warmen Dusche sind also verbale Streicheleinheiten gemeint.
„Was mögt ihr an Ewin oder was gefällt euch an ihr?“, fragt Ayinuer Aierken noch mal in die Runde, um das Thema zu verdeutlichen. Manche der Drei- bis Sechsjährigen sind ein bisschen überfordert. Anderen fällt sogar richtig viel ein. „Ich mag ihre Haare“, sagt ein Junge über Ewins braune und lange Haarpracht. „Sie kann gut klettern und rutschen. Das habe ich beobachtet“, weiß ein anderer Kitafreund.
Auch die Erzieherinnen äußern sich über die jeweilige Hauptperson. Sonia Comesaña schätzt Ewins „ausgeglichene und ruhige Art, die Ruhe in die Gruppe bringt“. Ayinuer Aierken sagt, sie habe „ein warmes Herz“, sei sehr schlau und lerne ganz schnell. „Du hilfst viel und bist schon ein richtiges Schulkind“, lobt die Erzieherin.
Ein bisschen verlegen wirkt das Mädchen inzwischen schon, das auf dem hölzernen Thron so viel freundliches Lob zu hören bekommt.
Die jüngeren Kitafreunde beschränken sich da eher auf ihr glitzerndes Shirt, die schicke Hose und ihre Schläppchen, die sie schön finden. „Die älteren Kinder sprechen auch über innere Werte, es sind vor allem die Kleineren, die die Äußerlichkeiten beschreiben“, berichtet Sonia Comesaña. Besonders gut habe ihr es gefallen, dass es bei dieser Art Adventskalender eben mal nicht um etwas Materielles gehe, sondern die Kinder sich mit den anderen Jungen und Mädchen beschäftigen müssten, sagt die Pädagogin.
Nach dem ersten Durchlauf, der 20 bis 30 Minuten dauern kann, brauchen die Kitakinder eine kleine Zuckerpause: Vom liebevoll verzierten Knusperhäuschen werden Süßigkeiten genascht. Jeder sucht sich eine Leckerei aus, die Ayinuer Aierken mit einem Messer ablöst. Das klappt aber nur, wenn sich die Jungen und Mädchen entscheiden können, was sie wollen: Zuckerkringel aus Schokolade oder ein Schweinchen aus Zuckerschaum?
Kita-Leiterin Sabine Haase-Schnorrbusch hat schon einige Rückmeldungen von Eltern auf die Ich-sage-dir-was- ich-an-dir-gut-finde-Initiative, die offensichtlich den Sinn des Nachwuchses für Schönes und Gutes schult: Ihre Tochter habe sich mit deutlich mehr Selbstbewusstsein an der Schule vorgestellt, die sie bald besuchen wird, habe eine Mutter überrascht berichtet.
Eine andere Mama hat erzählt, dass ihr Sohn, der mit der Tochter auf der Rückbank im Auto saß, plötzlich angefangen habe, seine Schwester zu betrachten und ihr gesagt habe, dass sie schöne Schuhe trage. „Da hat der Junge wohl gerade geübt“, amüsiert sich die Pädagogin. (Von Simone Weil)