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Sport ist ideal für Integration

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Hatice Alev Janetzka sammelt Medaillen.
Hatice Alev Janetzka sammelt Medaillen. © Leonhardt

Hatice Alev Janetzka hat als Trainerin beim Jügesheimer Sport- und Kulturverein JSK ungewöhnliche Spezialsportarten etabliert. Zum Beispiel den Weitsprung aus dem Stand. Der Erfolg gibt ihr Recht. Inzwischen halten ihre Mädchen und Jungs mit 6,89 Meter den Mannschaftsweltrekord.

Jügesheim – „Mir hat der Sport geholfen, mich in Deutschland schneller und besser zu integrieren“, sagt Hatice Alev Janetzka. Der Sport begleitet die 67-Jährige schon ihr ganzes Leben lang. Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland. Hatice Alev Janetzka ist in den Wurfdisziplinen der Leichtathletik mehrfache Goldmedaillengewinnerin, so sicherte sie sich bei den Balkan Masters Athletics Championships 2019 in Bukarest (Rumänien) viermal Gold. Noch heute hält sie einige türkische Rekorde. Kürzlich fuhr sie als Trainerin mit dem Nachwuchs des JSK Rodgau erstmals zu den deutschen Meisterschaften im LSW-Spezialsport (Laufen-Springen-Werfen) nach Neu-Isenburg, bei denen die Jügesheimer mit 14 Gold-, sechs Silber- und vier Bronzemedaillen kräftig abräumten.

Geboren im türkischen Izmir, kam Hatice Alev Janetzka im Alter von 16 Jahren nach Deutschland. Sport hatte sie aber schon in ihrer Heimat betrieben: „Ich besuchte ein kaufmännisches Gymnasium, dort musste ich mich für eine Sportart entscheiden und habe Volleyball gewählt“, blickt sie zurück.

Sie spielte so gut, dass sie sogar zur nationalen Sichtung eingeladen wurde. In Deutschland war es mit dem Sport aber zunächst einmal vorbei, Familie und Beruf standen im Vordergrund. Ihre deutsche Heimat war schon immer der Kreis – aber nie die Stadt – Offenbach: Mühlheim, Obertshausen, schließlich Rodgau. Weil sie keine geeignete Volleyballmannschaft für sich fand, nahm Hatice Alev Janetzka immer wieder an Volksläufen teil und widmete sich nach einer erfolgreichen beruflichen Karriere Mitte 40 wieder verstärkt dem Sport. Und das sehr ambitioniert: Hatice Alev Janetzka wurde in ihrer Altersklasse mehrfache deutsche Meisterin im Gehen und gehörte der deutschen Spitze an. „Mein Ehrgeiz war geweckt“, lacht sie – und schloss sich 2012 dem JSK Rodgau an. Dort entdeckte sie ihre Liebe zum LSW. Hatice Alev Janetzka spezialisierte sich auf die Wurfdisziplinen, war aber auch im Zweisprung und Standsprung erfolgreich, ehe sie ein Beckenbruch stoppte.

Bereits 2013 sprachen sie in Weiskirchen – bei der Sportvereinigung legte Hatice Alev Janetzka regelmäßig ihr Sportabzeichen (seit 2012 bis heute immer in Gold) ab – Kornelia Wrzesniok und Hans-Peter Schabinger, die den LSW-Spezialsport auf Hessenebene organisieren, an und begeisterten sie für diesen. „Beim JSK wollte seinerzeit allerdings keiner etwas davon hören“, erinnert sie sich, „dabei ist diese Form des Sports die Urform der Leichtathletik, wie wir sie heute kennen.“

2014 kehrte Hatice Alev Janetzka nach Izmir zurück – als Mitglied des deutschen Leichtathletik-Nationalkaders für die Senioren-Europameisterschaft. Doch aufgrund der vielen Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland kamen, durften ausländische Sportler – Hatice Alev Janetzka besitzt nur die türkische Staatsbürgerschaft – zuletzt nicht mehr für Deutschland starten. Eine Entscheidung, die die stolze Türkin verletzte und traurig machte. Mittlerweile wurde diese Bestimmung zwar aufgehoben, doch sie startet nur noch für die Türkei.

Und das weiterhin erfolgreich. Mit der Rekordpunktzahl von 3179 – viele der jüngeren Wettkämpferinnen holten deutlich weniger Punkte – wurde sie in Bukarest vierfache Balkanmeisterin im Werfer-Fünfkampf (Hammerwurf, Gewichtwurf, Diskus, Speer und Kugel) der Altersklasse W 65 sowie in den Einzeldisziplinen Hammer-, Speer- und Diskuswurf. Zudem holte sie in der Einzeldisziplin Kugelstoßen die Silbermedaille. „Ich war so glücklich, dass ich mich für das Kugelstoßen am Ende der Wettkämpfe nicht mehr richtig motivieren konnte“, schmunzelt sie. Im gleichen Jahr wurde Hatice Alev Janetzka in der Türkei zur Sportlerin des Jahres gekürt.

Ein Jahr später erwarb sie ihre Trainerlizenz und betreut seither den Nachwuchs des JSK. Der ist mittlerweile auf 60 Kinder angewachsen, sodass noch zwei weitere Trainer engagiert wurden. „Wir sind aber weiter auf der Suche nach Trainern“, verrät Hatice Alev Janetzka. „Die Liebe zum Sport war bei mir seit der Kindheit immer da. Das ist eine Leidenschaft, die man in sich haben muss.“ Und so trainieren die jungen Jügesheimer LSW-Sportarten wie Standweitsprung, Zweisprung oder Schleuderballwurf und den Diskuswurf im griechischen Stil. „Das ist einfach eine Hantelscheibe“, erklärt Hatice Alev Janetzka den Unterschied zum modernen Diskus. Diese alten Sportarten in fortgeschrittenem Alter zu erlernen, „ist sehr schwer“, betont die 67-Jährige, „man benötigt viel Geduld“. Kinder haben es da wesentlich einfacher. Und die traditionellen Sportarten sind die beste Grundlage, später einmal ein erfolgreicher moderner Leichtathlet zu werden. Die ersten großen Erfolge gab es wie erwähnt kürzlich in Neu-Isenburg zu feiern, darunter sogar einige Rekorde. So steigerten Yemaya Marold (2,42 m), Amelie Groha (2,45 m) und Laura Werner (2,02 m) im Standweitsprung der weiblichen U 18 den Mannschaftsweltrekord auf 6,89 Meter.

Doch nicht nur im Sport kümmert sich Hatice Alev Janetzka mit großem Engagement um den Nachwuchs. Seit einigen Jahren betreut sie mit ihrem Mann vier indische Kinder, macht mit ihnen Hausaufgaben, besucht mit ihnen am Wochenende Kinos, Museen und Tierparks, treibt mit ihnen Sport. „Ich versuche, ihnen die deutsche Kultur zu vermitteln“, erklärt sie – und hat die jungen Inder von Beginn an mit zum Training nach Jügesheim genommen. „Ich versuche, die Kinder über den Sport zu integrieren. Er ist dafür am besten geeignet.“ Und genau dieser Weg hat ihr vor vielen Jahren ebenfalls geholfen.

Von Patrick Leonhardt

Sie trainieren Spezialssportarten wie Standweitsprung, Zweisprung oder Schleuderballwurf und den Diskuswurf im griechischen Stil.
Sie trainieren Spezialssportarten wie Standweitsprung, Zweisprung oder Schleuderballwurf und den Diskuswurf im griechischen Stil. © Leonhardt

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