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Stadtplaner fordert Leitbild für Rodgau

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Ein krasses Beispiel von Nachverdichtung: Im August 2020 entstand in Rollwald dieses
Ein krasses Beispiel von Nachverdichtung: Im August 2020 entstand in Rollwald dieses © Pelka

Welchen Weg schlägt die städtebauliche Entwicklung von Rodgau ein? Gregor Fröhlich, Stadtplaner und Architekt, fordert darüber in der Stadt eine noch offenere Diskussion als bisher. Für sein Empfinden fehlt ein klar formuliertes Ziel, ein Leitbild, wohin die Reise geht. Das begünstige Bauwut und Wildwuchs.

Rodgau - Stadtplaner Fröhlich führt in seiner Standortbeschreibung zur Gesamtentwicklung aus:

„Mit Ausnahme des Stadtteils Rollwald sind die Bebauung und die Grundstücksgrößen in den Kernen der fünf Stadtteile oft durch die ehemals landwirtschaftlichen Nutzungen gekennzeichnet. Auf großen, sehr tiefen Grundstücken stehen alte, leere Scheunen und Schuppen einer auslaufenden Landwirtschaft, die noch keine neuen Nutzungen haben. Von der Stadt Rodgau wird seit einiger Zeit daher nicht nur die Entwicklung größerer Neubaugebiete vorangetrieben, sondern auch eine Bebauung frei werdender oder leerer Flächen in den Ortskernen angestrebt.

Zunächst ist dies ein guter Ansatz, um der hohen Nachfrage nach neuem Wohnungsbau zu begegnen. Dadurch werden Wiesen-und Ackerfläche im Außenbereich von einer Bebauung verschont und einer Zersiedlung am Rande der Ortslagen entgegengewirkt. Die Frage ist jedoch, wie diese Nachverdichtung im Innenbereich planungsrechtlich und tatsächlich mit der Gesamtentwicklung der Stadt und des Ortsbildes in Einklang gebracht wird. Hier tun sich Fragen auf.

Die Stadt hat die Planungshoheit

Obwohl die Baugenehmigungen für Rodgau grundsätzlich nur vom Bauaufsichtsamt des Landkreises Offenbach (Sitz in Dietzenbach) erteilt werden, so hat die Stadt im Rahmen ihrer gemeindlichen Selbstbestimmung nach wie vor die Planungshoheit. Daher gibt es für alle Stadtteile eine Vielzahl von Bebauungsplänen. (siehe: buergergis.kreis-offen bach.de, bplan-online) die aus unterschiedlichen Jahrzehnten stammen, zum Teil noch aus den 60er-Jahren, die dem derzeitigen Entwicklungsgeschehen oft nicht mehr entsprechen.

Wenn die Bebauungswünsche der Grundstückeigentümer mit diesen Bebauungsplanungen dann nicht mehr überstimmen, besteht die Möglichkeit, Ausnahmen von den Festsetzungen der Bebauungspläne zuzulassen, sofern die Abweichung städtebaulich vertretbar ist.

Genau da aber beginnt ein Problem. Was ist städtebaulich vertretbar und was nicht? Welche Auffassung setzt sich im Widerstreit der Meinungen durch?

In der Vielzahl der Ortsbereiche, für die überhaupt keine Bebauungspläne existieren, ist Streit programmiert. Dort ist eine bauliche Veränderung, zum Beispiel ein Neubau, nach § 34 Baugesetzbuch nur dann zulässig, wenn sie sich „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.“

Von diesem Erfordernis der Anpassung kann nur unter ganz bestimmten Bedingungen abgewichen werden. Oberstes Gebot ist jedoch, dass das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden darf. Was aber ist in Rodgau das zu „schützende Ortsbild“ für eine Stadt, die sich seit Jahrzehnten von einer Ansammlung von Dörfern hin zu einer Kleinstadt entwickeln möchte? Und wie bringt man ein vorhandenes zu schützendes Ortsbild mit dem Wunsch der Stadt nach Entwicklung und Veränderung in Einklang?

Schon in den 70er-Jahren bei der Genehmigung des Gebäudes der ehemaligen Rodgau-Bank, Hainhausen, Heinrich-Sahm-Straße 1, war das ein Problem, sodass wegen des Fehlens eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans dieses großvolumige Gebäude nach § 34 Baugesetzbuch genehmigt wurde. Oder man denke nur an das Gebäude der ehemaligen Rodgau-Bank aus den 70er Jahren, Babenhäuser Straße 8, in Jügesheim, das mit einer sechsgeschossigen Bebauung schon damals den städtebaulichen Rahmen sprengte.

Übrigens: Der heutige Eigentümer dieses Grundstückes der ehemaligen Rodgau-Bank in Hainhausen möchte dem Vernehmen nach dieses Gebäude alsbald abbrechen. Die letzten Mieter sind schon ausgezogen. Hier könnte ein Wohngebäude mit etwa 20 Wohnungen entstehen. Es fragt sich nur, auf Grund welchen Baurechtes eine Genehmigung erfolgen soll und wie es zum vorhandenen Ortsbild passen wird. Wird die Stadt Rodgau hierfür einen Bebauungsplan aufstellen oder soll es nach § 34 Baugesetzbuch genehmigt werden?

Nach wie vor fehlt für Rodgau ein klares und für jedermann-/Frau nachvollziehbares städtebauliches Leitbild, welches die Grundlage für Einzelentscheidungen für Bebauungen im Innenbereich und die Aufhebung, Änderung und Neuaufstellung von Bebauungsplänen bildet. Und dann könnte die Stadt gleichzeitig den Bestand alter Bebauungspläne durchforsten und gegebenenfalls ändern oder aufheben.

Bebauungspläne sind zum Erhalt des Ortsbildes aber nicht immer ein Allheilmittel. In Bebauungsplänen können nicht nur die Art und das Maß zulässiger Nutzungen festgesetzt werden. Sie können auch eine Vielzahl weiterer Bestimmungen, so zum Beispiel zur Geschoßanzahl, Gebäudehöhe und zum notwendigen Schallschutz enthalten. Darüber hinaus kann die Stadt im Bebauungsplan Bestimmungen zur Gestaltung von Gebäuden aufnehmen. Enthält ein Bebauungsplan keine solcher Bestimmungen, so hat der Bauherr keine Einschränkungen in seiner Entscheidung.

Um mehr Sicherheit im Planungsrecht zu erhalten, hat die Stadt Rodgau in der Vergangenheit eine Reihe sogenannter vorhabenbezogener Bebauungspläne für einzelne Grundstücke aufgestellt. Diese Bebauungspläne regeln die Zulässigkeit baulicher Vorhaben und werden in der Regel auch von den jeweiligen Bauherren bezahlt. Diese sektoralen Bebauungspläne sind aber vom Bundesgesetzgeber in erster Linie für komplexe größere Vorhaben gedacht, zu deren Realisierung zum Beispiel umfangreiche zusätzliche Erschließungs- gegebenenfalls auch Infrastrukturmaßnahmen notwendig sind, deren Planungs-und Baukosten sowie etwaige Folgekosten ebenfalls von dem Bauherrn (genannt: Vorhabenträger) bezahlt werden müssen. Dies wird dann in einem sogenannten Städtebaulichen Vertrag nach § 11 Baugesetzbuch geregelt.

Die Nachbarn haben nichts davon

In den Fällen der kleineren vorhabenbezogenen B-Pläne für Rodgau entledigt sich die Stadt aber lediglich der Kosten für die Aufstellung des B-Planes, die der jeweilige Bauherr selbst übernimmt mit der Folge, dass in der Regel nur sein eigenes Grundstück eine Wertsteigerung erfährt und schon die unmittelbaren Nachbarn von einer Wertsteigerung ausgeschlossen sind. Ist das fair?

Was in Rodgau fehlt, ist ein Konzept für eine Innenentwicklung der Altortsteile. Dort gibt es noch viele Flächen, die auch im Einklang mit einem guten Ortsbild angemessen bebaut werden könnten. Für den neuen Bürgermeister von Rodgau ist das eine lohnende Aufgabe.“

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