Stücke aus 25 Jahren kommen vor

Und was wird gespielt? Na, alles. Sobald am heutigen Donnerstag auf der Freilichtbühne an der Feuerwache Süd in Nieder-Roden die Scheinwerfer angehen, tritt das Große Welttheater mit seinem bisher anspruchsvollsten Projekt vor sein Publikum. Das will etwas heißen bei einem Verein, der seit einem Vierteljahrhundert immer wieder mit großen Inszenierungen das Rampenlicht sucht und seine Wurzeln im Jahr 1946 hat.
Nieder-Roden – Da wäre also im vergangenen Jahr ein Doppeljubiläum fällig gewesen. Corona bremste „Die Gestrandeten“ aus – ein Stück aus der Feder von Ensemble-Mitglied Thomas Auerswald, der schon das 2019 mit großem Erfolg uraufgeführte Störtebeker-Drama „Wer ist der Mann ohne Kopf?“ geschrieben hat. Verarbeitet hat Auerswald laut Regisseurin Bettina Hartmann in seinem neuen Werk sämtliche, aber auch wirklich alle Stücke, die das Große Welttheater in den vergangenen 25 Jahren auf die Bühne gebracht hat: Den namensgebenden Bühnen-Klassiker von Calderón de la Barca (1996), der schon 50 Jahre zuvor in Nieder-Roden Furore machte, Carl Zuckmayers „Schinderhannes“ (2000), Dürrenmatts „Physiker“ (2014) und den „Besuch der alten Dame“ (2005), Kästners „Emil und die Detektive“ (2012), Niebergalls „Datterich“ (2008), „Momo“ von Michael Ende (2010) und „In 80 Tagen um die Welt von“ von Jules Verne (2016). Sogar die Programme zweier Weinabende mit Schauspieleinlagen kommen laut Hartmann vor.
„Die Gestrandeten“ nun lediglich als Aufguss vergangener Erfolge zu sehen, wäre aus Sicht der Regisseurin weit gefehlt: „Es war eine gewaltige Herausforderung“, so Hartmann bei der Generalprobe. Wenngleich in fünf Akte aufgeteilt, weise das Stück keine klaren Schnitte oder abgeschlossene Szenen auf: „Alles greift wie Zahnräder ineinander“.
Zwar würden viele wichtige Rollen noch von den Originaldarstellern der Erstinszenierung gespielt, rund ein Drittel der 54 Schauspieler – vorwiegend junge Leute – sei indessen neu zur Truppe gestoßen und integriert worden. Das alles binnen sieben Monaten, denn erst im Februar hätten pandemiebedingt die Proben beginnen können. Sonst vergingen von der ersten Idee bis zur Premiere in der Regel eineinhalb Jahre.
Auf die Beine gestellt haben Bettina Hartmann und ihre Co-Regisseurin Maybrit Gutschling eine rund dreistündige Inszenierung mit einer ganz neuen Story. Schauplatz ist ein Bahnhof. Weil ein Unwetter tobt, kommen Züge zu spät oder gar nicht. Jeder einfahrenden Bahn entsteigen indessen die Darsteller für einen weiteren Akt, von den „gestrandeten“ Reisenden auf dem Bahnsteig begrüßt und in den folgenden Spielszenen unterstützt.
Kostüme und Requisiten nehmen die Schauspieler aus Koffern, Taschen und Rucksäcken, die ein eifriger Gepäckträger zielgenau verteilt. Über Disziplin und Ordnung wacht ein energischer Stationsvorsteher, flankiert von der geschwätzigen Kioskbesitzerin, der Bratwurst-Verkäuferin und dem Straßenmusiker, der für den akustischen Hintergrund sorgt.
Alle 54 Akteure im Alter von acht bis 80 Jahren – bis auf zwei sämtlich mit Sprechrollen – und alle szenischen Versatzstücke unter einen Hut zu bekommen, war aus Sicht der Regie eine gewaltige Aufgabe, zumal auch Tontechnik, Beleuchtung und Aufbau weitgehend von den Schauspielern selbst gemeistert werden mussten.
Das Ergebnis ist erstmals heute Abend zu sehen: Um 19 Uhr soll die Premiere auf der Freilichtbühne an der Feuerwache Süd beginnen. Weitere Aufführungen folgen am Freitag, Samstag, Sonntag und nächste Woche Montag, Dienstag und Mittwoch jeweils zur gleichen Zeit. Die Vorstellungen enden jeweils gegen 22 Uhr. (zrk)

